Der Funke will bei Fans nach dem Release von Valorant nicht so richtig überspringen. Die Meinungen zu Riots neuem Team-Shooter driften auseinander. Das erscheint zunächst merkwürdig, bildet die Qualität von Valorant jedoch recht gut ab, denn diese Free-2-play-Ballerei vereint Licht und Schatten wie kaum ein anderer Shooter am Markt. Riot Games hat mit dem Mehrspieler-Shooter ein durchaus beachtliches Debüt in einem bislang fremden Genre hingelegt, sollte jedoch zukünftig mehr Arbeitsstunden in Optimierungen und Anpassungen versenken, als in den in-Game-Shop.
Der Einstieg in Valorant ist der Horror. Der Shooter schreckt Spieler mit einer gnadenlos steilen Lernkurve. Wenn sich dann erste Erfolge in den Matches einstellen, ist man hin und weg vom flüssigen Gameplay – zumindest zeitweise, denn der Punkt, an dem man Varianz vermisst, kommt schnell. Dennoch: Spielrunden können bei Valorant so ziemlich alles sein in der Bandbreite zwischen grandios und frustrierend. Ach, und dann ist da mit Vanguard noch Riots ziemlich aufdringliches Anti-Cheat-Programm.
Valorant: So gut ist der Team-Shooter
Wer sich als Shooter-Frischling auf die Maps von Riots neuem Free-2-play-Ballerei Valorant begibt, der erlebt in der Eingewöhnungsphase die typischen „Fuck off“-Momente am laufenden Band. „Bäm, headshot!“, klingelt es einem nicht selten in den Ohren, auch wenn es dieses Audio bei Valorant gar nicht gibt. Fans wissen, was gemeint ist: Der Tod kommt mit Sicherheit und ziemlich schnell.
Die vier Maps gleichen Rund-Parcours mit dunklen Ecken. Der tödliche Treffer lauert überall. Er kommt aus jeder Richtung, sogar von oben. Dabei ist Valorant kein besonders schnelles Ballerspiel. Riot Games hat den Titel so designt, das Geschwindigkeit eher ein Nachteil als ein Vorteil ist. Wer rennt und schießt, trifft nicht – zumindest jedoch schlechter. Man bewegt sich langsam um die Ecken, Treffer sind deshalb aber nicht wenig wirkungsvoll. Beschreiben lässt sich Valorant am ehesten als Mix aus Hero-Shooter à la Overwatch und Classic-FPS im Sinne eines Counter-Strike oder Call of Duty. Zwei Team aus jeweils fünf Spielern treten gegeneinander an, beharken sich mit Kurz- und Langwaffen sowie recht coolen Spezialfähigkeiten und.
Der Spike ist die Bombe. Auch bei den Spielmodi hat Riot Games gut bei den Konkurrenz abgeguckt. Die Teams spielen als Angreifer oder Verteidiger und müssen dann den Spike ablegen und beschützen beziehungsweise entschärfen. Auf jeder Map gibt es zwei bis drei Bereiche, in denen die „Bombe“ scharf gemacht werden kann. Dort entbrennen dann auch die heftigsten Kämpfe. Das klingt verdächtig nach Counter-Strike und fühlt sich grundsätzlich auch so an. Wenn Spieler allerdings mit ihren Agenten vertraut sind, ihre Spezialfertigkeiten nicht nur kennen, sondern auch taktisch klug einsetzen können, schlägt das Plant-the-Spike-Gameplay das Plant-the-Bomb-Gameplay um Längen. Schade nur: In einer gewöhnlichen Spielrunde werden Specials derzeit eher wahllos als clever abgefeuert. Daraus resultiert Chaos und unnötige Hektik, die der Grundidee von Riots Shooter entgegensteht.
Eine Partie geht über viele Runden. Das erste Team, das 13 von ihnen gewinnt, gewinnt das Match. Das klingt so, als würde Valorant sich ziehen wie Kaugummi. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Runde dauert wenige Minuten, vor allem wenn erfahrene Spieler mitmischen.
Und es gibt sie doch, die Heldenmomente
Die Spezialfähigkeiten sind es, die bei Valorant für Abwechslung in den Matches sorgen. Das klassische Gun-Play wird dann angereichert mit ziemlich kreativen Aktionen. Ein Jetpack-Angriff von oben folgt auf die Blockade eines Durchgangs mithilfe einer Eiswand. Bestenfalls kombinieren Spieler ihre Spezialfähigkeiten mit der passenden Waffe. Letztere müssen zu Beginn jeder Runde gekauft werden (Denk an Counter-Strike). Erhältlich ist dabei vom Großkaliber-Colt bis hin zum Scharfschützengewehr alles, was das Shooter-Herz begehren könnte.
Der Clou: Sogar die Spezialfertigkeiten haben Aufladungen, die zu jeder Runde aufgefrischt werden müssen – sofern Ladungen überhaupt verbraucht wurden. Allzu oft ertappt man sich dabei, dass man die Specials völlig ignoriert und sich vollends auf die Waffe fokussiert. Das funktioniert allerdings leidlich gut, denn es sind gerade gut getimte Skills, die über die kurzen Gefechte entscheiden – oder eine unbedachte Bewegung. Wer blind um eine Ecke rennt, stirbt. Wer sprinten statt zu gehen, stirbt. Wer auf den Maps allein herumwandelt, stirbt. Die richtigen Heldenmomenten kommen zustande, wenn ein Team als Team agiert, sich bestenfalls „per Voice“ abspricht und eine Taktik verfolgt.
Sogar das Shopping zum Rundenbeginn kann man taktisch gestalten. Geldmittel muss man verdienen. Kills gewähren 200 Dollar, das Ablegen des Spike holt 300 Dollar für jedes Teammitglied aufs Konto, ebenso das Entschärfen. Der Rundengewinn beschert Spielern satte 3.000 Dollar, jedoch gibt es auch bei einer Niederlage Geld, dann zwischen 1.900 und 2.900 Dollar – abhängig davon, wie viele Runden man in Folge verloren hat. Klar ist: Gewinnen ist in jedem Fall lukrativer.
Die Ballermänner sind vergleichsweise günstig. Lange sparen muss man nicht, allerdings geht in jeder Runde ein Tausender für die Schwere Rüstung drauf, die man immer einkalkulieren sollte.
Man kann auch Geld sparen, um in späteren Runden gut ausgerüstet zu sein und effektiv agieren zu können. Noch mehr Geld spart man allerdings, indem man eine Runde überlebt: dann nämlich nimmt man die Ausrüstung mit in die nächste Runde. Ebenfalls möglich: Man sammelt eine Waffe des Gegners ein, überleben muss man dann allerdings trotzdem.
Treffsicherheit ist wichtiger als Ausweichmanöver
Wer es gemächlich angeht, hat bessere Chancen auf einen Sieg. Treffsicherheit ist bei Valorant von Riot Games wichtiger als die aus anderen Shootern bekannt Hüpf-Manöver, mit denen man Kugeln auszuweichen versucht. Kopfschüsse sind kritische Faktoren, ein bis zwei davon sind tödlich. Man sollte also besser einen Moment auf das Zielen verwenden als auf die Bewegung. Wer kurz innehält und stehen bleibt, um dem Gegner Projektile entgegen zu schicken, der profitiert davon. Das muss man verinnerlichen bei Valorant, denn es ist so sehr anders als alles, was man bislang auch Konkurrenz-Shootern kennt. Valorant bringt viele frische Ideen in das Genre ein, insbesondere weil Positionierung und Kommunikation so enorm wertvoll werden.
Absprachen sind immer der Weg zum Ziel, in jeder Situation. Das beginnt bei der Auswahl der Charaktere und endet bei der weisen Nutzung der Spezialfähigkeiten. Sogar beim Waffen-Shopping ist Kommunikation Trumpf: mal wird groß eingekauft, mal entscheidet das Team, Geld zu sparen und nimmt dafür auch mal eine Verlustrunde hin.
Wissen ist der zweite wesentliche Schlüssel in Valorant. Kenne den Agenten, kenne vor allem jedoch die unterschiedlichen Waffen. Jeder Schießprügel hat seine individuelle Stärken und Schwächen. Das Resultat: Das Gun-Play von Valorant gehört zum besten des Genres. Die Waffenwahl macht einen spürbaren Unterschied aus: Mal ist ein Einzelschuss aus der Sniper in den Kopf tödlich, mal der Körpertreffer. Einige Sturmgewehre feuern effektive Feuerstöße ab, bei anderen Gewehren kann man den Abzug durchdrücken.
Ebenso unterschiedlich spielen sich die Agenten. Magere elf von ihnen gibt es, mit fünf Agenten startet man. Die Auswahl ist vergleichsweise gering. Darunter leidet die Abwechslung spürbar, was schade ist, denn das reine Gameplay hat viel zu bieten. Ein Highlight sind immer die Ultimates der Agenten – diese müssen allerdings erst aufgeladen werden und zwar durch Kills. Sechs bis sieben braucht es, dann ist das Abfeuern der Final-Skills aber effektiv. Die Wahl des Agenten macht dabei einen enormen Unterschied. Sage heilt und setzt Eiswände als Blockaden ein, Sova und Cipher helfen bei der Aufklärung. Andere Agenten wiederum sind wahre Damage-Dealer.
Grundsätzlich kann man jeden Agenten kostenlos freischalten, allerdings muss man dafür etwas Zeit investieren. Als Free-to.play-Shooter setzt Valorant auf in-Game-Käufe, die Waffenskins betreffen. Das ist nicht einmal besonders teuer. Mutig ist Riots Entscheidung, Agenten nicht zum Kauf anzubieten. Wer einen Charakter freischalten darf, sich entscheidet und die falsche Wahl trifft, muss lange warten. Auf Lootboxen hat Riot übrigens verzichtet. Gut so!
Valorant: Durchschnittlich hübsch
Optisch eindrucksvoll ist Valorant nicht. Die grafische Qualität bewegt sich irgendwo zwischen nett und zweckmäßig. An Konkurrenten wie Overwatch oder Call of Duty kommt Riots Shooter nicht heran. Dafür spielt sich Valorant enorm flüssig, von gelegentlich Netzwerkproblemen mal abgesehen. Das Design der Maps ist gelungen, optische Leckerbissen sind sie aber nicht.
Immerhin: Jeder der vier Karten sorgt für spannende Spielsituationen. Ähnliches gilt für die wenige Spielmodi: Es gibt einen Trainingsmodus, den Spike-Rush, einen Kurz-Modus und Custom-Games – das wars. Wenn es bei Valorant Abwechslung gibt, dann durch das Gameplay an sich, nicht durch die Rahmenbedingungen, die Riot schafft.
Rein technisch gesehen funktioniert Valorant einwandfrei, vom Anti-Cheat-Tool mal abgesehen. Das muss extra installiert werden und nistet sich im Autostart-Bereich ein. Wer den Riot Vanguard beendet, dann Valorant spielen möchte, muss seinen Computer zunächst neu starten.
Hinzu kommt, dass das Anti-Cheat-Tool in einem sensiblen Prozessbereich agiert und quasi Zugriff auf jeden Hardware-Bereich des PCs hat. Das muss nicht sein, weil das Programm dann sogar Abstürze verursachen kann. Bei uns kam das im Spieletest nicht vor, andere Spieler berichten jedoch von System-Crashes.
Man könnte das hinnehmen, wenn der Riot Vanguard Cheats effektiv unterbinden würde. Weil allerdings auch Cheat-Entwickler auf der sensiblen Programmebene arbeiten können, kann der Vanguard Cheats genau in diesen Fällen nicht verhindern. Bereits nach einer Woche steht fest: Auch bei Valorant wird geschummelt. Den Vanguard aktiv halten muss man dennoch, um spielen zu können.
Aufgrund des durchaus sensiblen Eingriffs in die Struktur, bleibt die Frage: Wie sehr können Spieler Riot trauen? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten und sich für oder gegen das Anti-Cheat-Programm und damit für oder gegen Valorant entscheiden.
Infobox
Spielerzahl: Mehrspieler-Online
Alter: ab 16 Jahren
Spieldauer: 60+ Spielstunden
Schwierigkeit: hoch
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: Riot Games
Entwickler: Riot Games
Erscheinungsjahr: 2020
Plattformen: PC
Sprache: Deutsch
Kosten: grundsätzlich Free-2-play
Fazit
Grundsätzlich macht Riot Games mit Valorant viel richtig. Die schnellen Runden machen Spaß, die taktische Komponente ist stets spürbar. Der Mix aus Hero-Shooter und Classic-FPS funktioniert hervorragend, vor allem in Verbindung mit den unterschiedlich ausgerichteten Agenten und ihren Fertigkeiten. Das Gameplay ist grandios, allerdings braucht es eine vergleichsweise lange Eingewöhnungszeit, denn Valorant macht einiges anders als andere Team-Shooter.
Immerhin: Das auf Effizienz getrimmte Spiel bietet gute Voraussetzungen, um sich in der E-Sport-Szene festzusetzen, auch wenn das durchaus einige Zeit dauern wird. Die steile Lernkurve deutet darauf hin, dass echte Profi-Matches jede Menge Spannung versprechen. „Easy to learn, hard to master“, diesem Motto folgt Riot Games mit Valorant konsequent. Bis man alle Maps, Agenten und Waffen kennt, vergehen Stunden. Die Zeit zu investieren lohnt sich, denn man merkt mit steigender Erfahrung, welch coole Stunts und Moves sind auf den Karten vollführen lassen.
Valorant nur wegen des Anti-Cheat-Tools nicht zu empfehlen, wäre ein Fehler, denn der Free-2-play-Shooter mit dem fairen Preismodell macht Spaß. Man muss den Entwicklern jedoch einen immensen Vertrauensvorschuss gewähren.
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