Mit dem strategischen Brettspiel Wettlauf nach El Dorado hat Ravensburger in Zusammenarbeit mit dem Spieleautor Reiner Knizia sowie dem Illustrator Franz Vohwinkel einen vielversprechenden veröffentlicht. Das Konzept kam so gut an, dass Wettlauf nach El Dorado sich einen Platz auf der Nominierungsliste für das Spiel des Jahres 2017 sichern konnte. Schon in der Theorie überzeugt die Kombination aus Deckbau und Wettlauf – und bietet damit Familienspielern die Möglichkeit, sich im Bereich eines Deckbuilding Brettspiels zu beweisen. Das Konzept ist derart durchdacht, dass Wettlauf nach El Dorado es schaffen könnte, Deckbau-Spiele für eine völlig neue Zielgruppe zu öffnen. Unsere Brettspiel Rezension zum Taktik-Hit Wettlauf nach El Dorado zeigt, weshalb man dieses Spiel auf keinen Fall verpassen sollte.
Indiana Jones: The Magical Gathering?!
Auf die Brettspiel Rezension zu Kingdomino, dem Siegertitel zum Spiel des Jahres 2017, folgt unser Spielbericht zu seinem ärgsten Verfolger: Wettlauf nach El Dorado von Reiner Knizia.
Thematisch ist Wettlauf nach El Dorado ein klassisches Expeditions- bzw. Abenteuerspiel. 2 bis 4 Teilnehmer machen sich auf den Weg in das goldene Land El Dorado, das tief in Dschungel Südamerikas versteckt liegt. Das – und die Abbildung auf der Spielverpackung – erinnert stark an Abenteuerfilme wie Indiana Jones. Völlig anders bettet Reiner Knizia die Deckbau-Mechanik ein, denn diese ist alles andere als abenteuerlich. Fast wie bei einem klassischen Deckbuilding Game tüfteln Spieler auf Wunsch rundenweise an ihren Kartenstrategien herum. Dabei hat jeder stets die Wahl, ob er möglichst schnell Wegstrecke macht oder an seinem Expeditionsteam herumexperimentiert, damit ihm nicht die Ausdauer ausgeht.
Der Wettlauf nach El Dorado ist ein strategisches Brettspiel mit hoher Langzeitmotivation. Nicht nur, weil es enorm viel Spaß macht, auf die Spielsituationen zu reagieren, sondern weil sich das Spielbrett stets anders zusammensetzen lässt. Entweder nach, durch die Aufbauanleitung vorgegebenen Mustern, die sich bezüglich ihrer jeweiligen Schwierigkeitsgrade deutlich unterscheiden, oder völlig frei. Letzteres macht vor allem erfahrenen Spielern Spaß und ist eine lobenswerte Stärke des strategischen Brettspiels aus dem Hause Ravensburger. Unter Beachtung einiger Tipps lassen sich so spannende Abenteuer entwerfen. Völlig allein gelassen werden Spieldfeldarchitekten glücklicherweise nicht, denn die Aufbauanleitung gibt vier wertvolle Hinweise für sinnvolle Kombinationen der einzelnen Geländeplatten:
- Vermeidet großflächige Gebiete in einer Farbe.
- Achtet darauf, dass Abkürzungen stets über Felder mit schweren Bedingungen führen
- Wenn ihr eine Kurve plant, sollte die Innenbahn schwerer zu beschreiten sein.
- Vermeidet zu viele Engstellen.
Besonders mutige Expeditionsleiter können selbstverständlich auch von diesen Anweisungen abweichen. Eine wirklich unspielbare Kombination ist uns während der Partien im Rahmen der Brettspiel Rezension nicht unter gekommen – die eine oder andere eigenhändige Geländezusammenstellung war allerdings ziemlich knackig.
Zu dem variablen Spielaufbau gehört die Ausstattung der Spieler, die jedoch stets gleich ausfällt: 2 Spielfiguren, 1 Expeditionstafel, 8 Basiskarten (bestehend aus 1 Matrose, 3 Forscher und 4 Reisenden). Eine minimale Veränderung bringt lediglich die hervorragend funktionierende 2-Spieler-Variante zutage: nur dann benötigt ihr nämlich auch wirklich die zweite Spielfigur. Ist alles vorbereitet, taucht man direkt ein i das Spielgeschehen und entwickelt seine Spielstrategie rundenweise fort.
Eines steht fest: hinter Wettlauf nach Eldorado steckt mehr als man auf den ersten Blick vermuten würde.
So funktioniert Wettlauf nach El Dorado
Der Einfachheit halber beginnt die Karriere als Abenteurer mit einer vorgefertigten Einsteigerstrecke. Aus fünf Landschaftsplatten bilden Spieler zunächst ihren Weg nach El Dorado. Das gibt die Spielanleitung vor und es ist äußerst empfehlenswert sich an dieses kleine Tutorial zu halten. Dass Brettspiele weiterhin auf diese Art der Spieleinführung setzen ist ein toller Trend. Statt Regeln einfach nur zu erklären, werden 2 bis 4 Spieler auch bei Wettlauf nach El Dorado schrittweise durch ihr erstes Abenteuer geführt. Dabei setzen die Redakteure auf eine anschauliche Kombination aus einem bebilderten Aufbauschema und einer übersichtlichen Regelerklärung. Betrachtet man allein den Umfang des Regelwerks so wird schnell klar, dass das grundlegende Regelkonzept vergleichsweise simpel ist: durch Ausspielen von Handkarten bewegen die Spieler sich über die Geländefelder oder kaufen neue Karten. Ziel des Spiels ist, das Zielfeld – also das verschollene Königreich El Dorado – zu erreichen.
Jeder Spielzug unterteilt sich in drei Phasen, die aktive Spieler nacheinander abhandeln, bevor der nächste Abenteurer an der Reihe ist:
- Karten ausspielen
- Karten ablegen
- Karten nachziehen
Dieser einfache Ablauf führt zu einem stets flüssigen Kartenwechseln, sodass sich die Deckbau-Komponente seicht in das Spielgeschehen einfügt. Für Kartennachschub sorgt der Markt, über den Spieler durch möglichst sinnvolle Einkäufe ihr Deck zusammenstellen. Dadurch, dass aktive Spieler pro Spielzug nur eine neue Karte kaufen können, sind die Veränderungen der Kartenhand weniger radikal als in „echten Deckbau-Spielen“. Schnell wird deutlich, weshalb Wettlauf nach El Dorado vor allem für Familienspieler einen Einstieg in das enorm taktische Deckbau-Business darstellt. Gleichwohl ist diese spielerische Evolution kein Muss. Wer sich mit der Kombination aus Deckbuilding und Laufspiel zufrieden gibt, wird auch mit dem Strategie-Brettspiel aus dem Hause Ravensburger seine Langzweitmotivation problemlos aufrecht erhalten.
Ebenfalls äußerst positiv: Mit insgesamt 4 Handkarten führen Spieler ihre Handlungen durch. Die vergleichsweise geringe Anzahl von Handkarten lässt die Spieler das Geschehen schnell, vor allem aber einfach, überblicken. Während man jeweils nur eine neue Karte kaufen kann, fällt das Bewegungsgeschehen flexibler aus. Man kann von den Handkarten beliebig viele ausspielen, jede Karte allerdings nur einmal pro Zug benutzen. Es steht den Spielern also frei, ob sie die Bedingungen der Geländefelder erfüllen möchten oder Wege einfach stur blockieren – was je nach Feldsituation durchaus sinnvoll sein kann und ziemlich fies ist. Und so bewegen sich die Spieler voran, räumen Blockaden aus dem Weg oder werden selbst zu einer, am Ende bis das Zielfeld erreicht und der Wettlauf nach El Dorado damit gewonnen ist.
Tausende Spielmöglichkeiten für Abenteurer
Es fühlt sich gut an, mit Wettlauf nach El Dorado an ein Brettspiel gelangt zu sein, dem man seine Variabilität bereits beim Auspacken des Spielmaterials ansieht. Sich aus den insgesamt sieben Geländeplatten das persönliche Spielbrett zu kombinieren macht Spaß und sorgt für einen hohen Wiederspielwert. Zusammen mit dem Deckbausystem fühlt sich eine Spielpartie (fast) immer einzigartig an. Wettlauf nach El Dorado bringt mit seinem nahezu perfekten Spielsystem enorm viel Spaß auf die heimischen Spieltische. Dem Charme des strategischen Brettspiels aus dem Hause Ravensburger können sich auch Vielspieler nicht entziehen. Wenn eine Frühjahrsneuheit aus dem Jahrgang 2017 das Kulturgut „Gesellschaftsspiele“ würdig vertreten kann, dann ist das El Dorado.
Das Spiel weckt Abenteuerlust: Das bekannte Entdecker-Setting tut dem Spiel sichtlich gut, denn es macht das Thema auch für Gelegenheitsspieler nachvollziehbar. Statt sich allein auf seine Fantasie verlassen zu müssen, wenn es darum geht gedanklich in die Spielwelt einzutauchen, greift man vor allem als Erwachsener gern auf seine Kindheitserinnerungen zurück, um sich einmal wie Indiana Jones zu fühlen – oder sein kartenspielender Zwilling.
Das beiliegende Höhlenmodul ist zudem mehr als ein Gimmick. Es fügt sich nahtlos in das Spielgeschehen ein und erweitert die Spielerfahrung um spannende Momente. Mit dem Höhlenmodul gilt es zu entscheiden, ob sich kleinere Umwege lohnen, weil sich unter den Höhlenplättchen sinnvolle Vorteile verbergen könnten. Dank verschiedener Schwierigkeitsgrade sorgt El Dorado für anhaltenden Spielspaß, der jede Partie zu einer kleinen Herausforderung machen kann. Oder man genießt die hervorragend ineinander greifenden Spielelemente des Brettspiels in einem eher einfachen Modus. Aus fast jeder Zusammensetzung – von Material und Spielertypen – kann man als Spielrunde Motivation ziehen.
Bilder zu Wettlauf nach El Dorado
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 40 bis 60 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Verlag: Ravensburger
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: deutsch
Kosten: 40 Euro
Fazit
Wer Deckbuilding liest, denkt dabei meist an die hohe Kunst des Sammelkartenspielens. Damit hat das strategische Brettspiel Wettlauf nach El Dorado natürlich gar nichts zu tun. Viel eher kann man den Titel von Reiner Knizia mit Gesellschaftsspielen vom Schlage eines Dominion vergleichen. Überhaupt weist El Dorado viele Parallelen zu anderen populären Brettspielen auf – optisch wie auch spielerisch. Dass der erfahrene Spieleautor Reiner Knizia zu solchen Tricks greift ist nicht negativ zu bewerten, sondern im Grunde ziemlich clever. Anstatt auf Innovationen zu setzen, kombiniert Wettlauf nach El Dorado gut funktionierende Mechanismen ohne dabei an Eigenständigkeit zu verlieren. Überall wurde an den Stellschrauben gedreht, um das Deckbauspiel in Details zu verändern. Tatsächlich spielt sich Wettlauf nach El Dorado wunderbar eingängig und teilweise neuartig. Vor allem Familienspieler profitieren von den leicht umsetzbaren Regelkonstrukten, die den Spaß schon nach kurzer Einspielzeit auf Tisch bringen.
Wer regelmäßig spielt, kennt die Grundzüge des Deckbausystems bereits aus Dominion, wobei Reiner Knizia es geschafft hat, die Mechanik in Wettlauf nach El Dorado auf das Wesentliche zu reduzieren. Deckbau in dem Strategiespiel von Ravensburger spielt sich direkter und intuitiver – setzt jedoch ein erhöhtes Maß an Timing voraus, um sich auf das Spielbrett übertragen zu lassen. Bezüglich der Karten stellen Spieler sich zwei zentrale Fragen: Welche Karten setze ich zur Bewegung ein? Welche verwende ich lieber anderweitig, etwa zum Kaufen oder zur Entsorgung?
Ein kleiner Kniff macht Wettlauf von El Dorado insbesondere für Partien mit Spielern spannend. In jedem Spiel, ganz egal ob zu zweit, dritt oder eben zu viert, kommt das komplette Kartenkontingent zum Einsatz. Man muss kein Mathematiker sein, um zu erahnen, dass die Karten knapper werden, je mehr Spieler an einer Partie teilnehmen. Stets geht es darum Details zu optimieren – und das bringt Spieler dazu ständig Entscheidungen treffen zu müssen. Auf dem Spielbrett fühlt sich das deutlich strategischer an als man in Worten ausdrücken könnte. Die Kombination aus Deckkenntnis und Glück beim Nachziehen funktioniert hervorragend und macht El Dorado zu einer spannenden Spielerfahrung.
Spielerisch bietet Wettlauf nach El Dorado für fast jeden Spielertyp genügend Anreize. Während Gelegenheitsspieler sich schrittweise an die Deckmechanik heranwagen und eher spontan von Entscheidung zu Entscheidung hangeln, drängen Vielspieler von Beginn an Richtung Expeditionserfolg, indem sie ihre Spielhandlungen möglichst optimal ausbalancieren. Während einiger Züge abwartend zu agieren, um das als Vorteil für zukünftige Spielzüge zu nutzen, muss man gewohnt sein – oder am Beispiel von El Dorado anschaulich lernen. Derartige Strategien können sich als extrem effektiv erweisen, vor allem wenn man gegnerische Spieler kurz vor ihrem Zieleinlauf überholt.
Überhaupt fühlt sich El Dorado spürbar kompetitiver an als so manch anderer Titel. Das liegt in erster Linie an dem klassischen Start-Ziel-Konzept. Statt ständig über Punktbewertungen zu grübeln, hat man bei diesem Brettspiel direkt vor Augen, wie der aktuelle Spielstand ausfällt und ob es nicht doch an der Zeit ist, die Wandersocken hochzukrempeln, um einen Endspurt einzulegen. Diese Greifbarkeit einer einfachen Siegbedingung macht das strategische Deckbauspiel zu einem idealen Titel für generationenübergreifende Spielrunden. Wie wenige andere Brettspiele für Erwachsene, schafft es El Dorado eine fast schon veraltete Siegmechanik neu zu beleben. Simple Wettrennen als kompetitive Rahmenbedingungen kennen Spieler heute nur noch von Kinderspielen oder Titeln, die den Glücksfaktor deutlicher in den Vordergrund stellen als Wettlauf nach El Dorado es tut.
Sich mit seinen Gegenspielern zu messen fällt bei El Dorado deutlich leichter als bei Brettspielen mit eher kryptischen Gewinnregelungen. Insgesamt geht es auf dem Spielbrett eher friedlich zu. Man kann zwar Wege versperren und gegnerische Expeditionsteams so zusätzliche Meter machen lassen, hat jedoch keine direkteren Einflussmöglichkeiten, um anderen Spielern das Leben schwer zu machen. All die kleinen Gemeinheiten fließen zielgruppenorientiert in das Brettspiel ein und sorgen oft für ein Schmunzeln, keinesfalls für Frust.
Reiner Knizia ist es gelungen mit vergleichsweise einfachen Mitteln ein extrem variables, spannendes Brettspiel zu kreieren. Die zentralen Pfeiler für den hohen Wiederspielwert sind einerseits die doppelseitig bedruckten Landschaftsplatten, die sich beliebig kombinieren lassen. Andererseits sorgt die Deckbaumechanik in Verbindung mit dem Marktstreifen für große spielerische Entscheidungsfreiheit. So flexibel sich die Geländeplatten arrangieren lassen, so limitiert ist die Kartenauswahl. Hier darf Ravensburger gern über regelmäßige Erweiterungen nachdenken. Verdient hätte es Wettlauf nach El Dorado jedenfalls. Es gibt selten Brettspiel Rezensionen, die uns derart laut nach Zusatzinhalten haben schreien lassen. Keinesfalls vergessen zu loben, sollte man das optionale Höhlenmodul, das dem Brettspiel beiliegt. Es ist spielerisch äußerst sinnvoll, sich direkt damit auseinanderzusetzen: das zusätzliche Spannungsmoment dürfen auch Gelegenheitsspieler sich nicht entgehen lassen – zumal die Umsetzung der Sonderregeln keine Probleme bereitet.
Insgesamt ist Wettlauf nach El Dorado ein ausgezeichneter Titel, der in sämtlichen Partien für diese Brettspiel Rezension zu überzeugen wusste. Ganz zielgruppenunabhängig darf man den Unterhaltungswert allerdings nicht betrachten: wo Strategie und Glück zusammentreffen fühlen sich Familien- und Gelegenheitsspieler meist wohler als Vielspieler. Letztere werden dennoch gern an jeder Partie Wettlauf nach El Dorado teilnehmen.
Für uns hat sich die Qualität des strategischen Deckbauspiels schnell abgezeichnet, was Grund genug war, El Dorado als unseren Favoriten für die Auszeichnung zum Spiel des Jahres 2017 zu setzen. Auch wenn der Sieg letztendlich an Kingdomino von Pegasus Spiele ging, ist die wohlverdiente Platzierung auf der Nominierungsliste eine konsequente Entscheidung der Jury gewesen. Über weniger hätten wir uns auch gewundert.
Das bringt Wettlauf nach El Dorado am Ende tolle 4 Wertungspunkte und einen silbernen Award für ein gelungenes Familienspielerlebnis ein.