Einmal im Jahr überschlagen sich die Diskussionen über die vermeintlich besten Brettspiele der aktuellen Saison. Jüngst hat der Verein Spiel des Jahres e.V. die nominierten Titel in den Kategorien Kinderspiel des Jahres 2018, Kennerspiel des Jahres 2018 und natürlich Spiel des Jahres 2018 offiziell verkündet. Was für die meisten Gesellschaftsspieler als Empfehlung zu verstehen ist, lässt bei Verlagen meist die Kassen klingeln. Wenn die bunten Logos auf den Spielepackungen prangen, sorgt das nicht selten für waschechte Panikkäufe. Immerhin: dank der Massentauglichkeit der zu den Spielen des Jahres nominierten Titel sind die beiden Veranstaltungen vor allem für Gelegenheitsspieler oder Einsteiger interessant. Erfahrene Brettspieler nennen die Nominées zum Zeitpunkt der offiziellen Verkündungen wahrscheinlich ohnehin ihr Eigen. Wir stellen euch die nominierten Brettspiele für die Auszeichnungen Spiel des Jahres 2018, Kennerspiel des Jahres 2018 und Kinderspiel des Jahres 2018 sowie unsere Meinung zur Auswahl der Jury im nachfolgenden Beitrag ausführlich vor.
Spiele des Jahres 2018: Nachvollziehbare Entscheidungen?
Der Jahrgang 2018 ist aus unserer Sicht spielerisch als hervorragend zu bezeichnen. Mit jedem der nominierten Titel verbringen Brettspieler unzählige unterhaltsame Stunden. Einzig große Innovationen sollte man nicht unbedingt erwarten – aber das ist im Segment der Gesellschaftsspiele ohnehin seltener geworden.
Auf die Jury des Spiel des Jahres e.V. ist Verlass: die Nominiertenliste beinhaltet alles, was im guten Brettspieljahrgang 2018 Rang und Namen hat. Dass sich weitestgehend erwartete Spieltitel auf den Auswahllisten befinden ist ein Zeichen für die herausragende Qualität einiger weniger Brettspiele –und gleichsam ein Zeichen für den guten Geschmack der Spieler selbst, die jedes Jahr mit ihrem Kauf- und Spielverhalten zumindest grob die Richtung für mögliche Auszeichnungen vorgeben oder, wie im Fall des Deutschen Spielepreises, selbst über die Award-Vergabe richten. Wie jedes Jahr gilt: die Auszeichnungen des Spiel des Jahres e.V. sind Jury-Preise und müssen daher nicht unbedingt dem Geschmack der Massen entsprechen. Tatsächlich decken sich die Meinungen den Spieler und Spielexperten häufig, auch weil die sogenannten Auswahllisten die Nominierungsliste ergänzen und Verlagen sowie Autoren als „Trostpflaster“ dienen.
Kategorienübergreifend nominiert für die Auszeichnungen sind im Jahr 2018 populäre Brettspiele wie Azul (Pegasus Spiele), Heaven and Ale (Feuerland Spiele), Luxor (Queen Games) oder Funkelschatz (HABA). Ein echter Abräumer könnte in diesem Jahr der Spieleautor Wolfgang Warsch werden, der mit insgesamt drei Titel in zwei Kategorien nominiert ist: das Kartenspiel The Mind (NSV), das hochgelobte Brettspiel Die Quacksalber von Quedlinburg (Schmidt Spiele) sowie Ganz schön clever (Schmidt Spiele) wären jedenfalls würdige Preisträger.
Über eine außergewöhnliche Auszeichnung freut sich der Spieleverlag Asmodee. Das überragende Spielerlebnis Pandemic Legacy Season 2 konnte die Jury derart überzeugen, dass diese für das Jahr 2018 kurzerhand einen Sonderpreis aus dem Boden stampften. Folgt man der Begründung der Jury des Spiel des Jahres e.V. so ist Pandemic Legacy Season 2 fortan die „Messlatte für alle Legacy-Brettspiele“. Dieses Spiel sei „aktuell das beste Legacy-Spiel mit einer faszinierenden Spielwelt.“
Die Begründung ist nachvollziehbar, aber gewagt: immerhin sind Legacy-Brettspiele mittlerweile keine seltenen Spielideen mehr, sodass sich die Messlatte zukünftig häufig und stark anpassen wird. Ob ein reiner Weiterentwicklungsprozess die Vergabe eines Sonderpreises rechtfertigt, kann man durchaus kritisch sehen. An der spielerischen Qualität von Pandemic Legacy Season 2 ist allerdings nicht zu rütteln. Vielleicht ist der Sonderpreis eher als Autorenauszeichnung denn als Spielepreis zu verstehen. Immerhin gibt die Jury in ihrer Begründung an, sie wolle „die herausragenden Leistung des Autorenduos mit einem Sonderpreis würdigen“. Die beiden Spieleautoren Matt Leacock und Rob Daviau haben Legacy-Brettspiele im Laufe der vergangenen zehn Jahre salonfähig – vor allem aber massentauglich – gemacht. Auch wenn hinter der Grundidee dieser strategischen Evolutionsspiele komplexe Spielmechanismen stecken, haben die Autoren es geschafft, die Regeln derart intuitiv zu gestalten, dass sogar unerfahrene Spieler keine hohen Einstiegshürden überwinden müssen, um mit den erhältlichen Legacy-Brettspielen Spaß zu haben. Sich verändernde Brettspielsysteme haben sich damit begeisterungsfähig für nahezu sämtliche Spielergruppen gemacht. Auch wenn es fast scheint, als seien Leacock und Daviau zu Sklaven ihrer eigenen (zugegebenermaßen grandiosen) Grundidee geworden, war es Zeit, die beiden kreativen Köpfe für ihre jahrelange Arbeit zu loben.
Sich für die Verleihung des Sonderpreises 2018 einen einzigen Spieletitel herauszupicken wäre unnötig, wenn sich die Idee, Autoren für ihre „Lebenswerke“ auszuzeichnen zu einem festen Programmpunkt bei der Verleihung der Spiele des Jahres würde. Das wäre dass eine ebenso bahnbrechende Weiterentwicklung des Kritikerpreises, wie die Geburt der Legacy-Brettspiele.
Die Nominierten zum Spiel des Jahres 2018
Die Auszeichnung Spiel des Jahres 2018 ist für den durchschnittlichen Brettspieler eine wegweisende Entscheidungshilfe für die Anschaffung qualitativ hochwertiger Spieletitel. Kein Wunder also, dass Autoren und Verlage der Preisverleihung am 23. Juli 2918 in Berlin entgegenfiebern. Die Auswahl der nominierten Spiele ist in diesem Jahr besonders gelungen, denn unterschiedlicher hätten die Nominées kaum sein können.
Für das Spiel des Jahres 2018 sind folgende drei Gesellschaftsspiele nominiert:
- Azul von Michael Kiesling (Next Move, Plan B Games / Pegasus Spiele)
- Luxor von Rüdiger Dorn (Queen Games)
- The Mind von Wolfgang Warsch (NSV)
Klingt nach Spaß? Und ob!
Jedes der drei Spiele hätte einen Sieg verdient, wobei das taktische Legespiel Azul von Michael Kiesling insgesamt wohl die meisten Vorschusslorbeeren einheimsen konnte. Auf den Spieleveranstaltungen der aktuellen Saison waren sich die Spieler jedenfalls darüber einig, dass Azul zu den besten Brettspielen des Jahrgangs gehört – wenn nicht sogar das Top-Brettspiel 2017/2018 ist. 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren sind bei Azul aufgerufen, den Palast des portugiesischen Königs Manuel I. mit Fliesenmustern zu verzieren. Zusammenhänge Spalten und Reihen spülen Punkte auf die Konten taktisch klug vorgehender Handwerker. Wer dagegen zu riskant vorgeht und sich verspekuliert, dem entgehen wertvolle Punkte. Was mit fortschreitendem Spielverlauf auf dem Spieltisch sichtbar wird, gleicht einer handwerklichen Meisterleistung. Die wunderschönen Kachelmuster schmeicheln den Augen der Spieler und werden bei Azul zum eigentlichen Star des taktischen Brettspiels, das hierzulande von Pegasus Spiele vertrieben wird. Das Spielbrett ist hingegen eher schlicht und funktional – nichts soll von der Ästhetik der bunten Fliesenbilder ablenken. So simpel der schlichte Zu-um-Zug-Modus auch sein so, so elegant ist das Spielgeschehen, das Markus Kiesling um diesen Auswahlmechnismus herum gebaut hat. Azul ist ein Meisterwerk, das kein Brettspieler sich entgehen lassen sollte – egal ob mit oder ohne Siegel des Spiel des Jahres 2018.
Der zweite Nominierte Titel für das Spiel des Jahres 2018 setzt auf abenteuerliche Schatzsammeleien. Rüdiger Dorn hat mit Luxor aus dem Hause Queen Games ein Brettspiel geschaffen, das altgediente Mechanismen neu in Szene setzt. Kern von Luxor ist ein cleverer Kartenspielmechanismus, bei dem stets nur die beiden äußeren von insgesamt fünf Handkarten gespielt werden dürfen. Weil das Umsortieren verboten ist und neue Handkarten in die Kartenmitte gesteckt werden, ist es durchaus herausfordernd für Spieler, ihre drei Figuren über das Brett zu bewegen. Vorausschauende Planung ist bei Luxor für den Erfolg essenziell. Um Schätze einsammeln zu dürfen, müssen bis zu drei Spielfiguren auf dem jeweiligen Feld platziert werden. Besonders schnelle – und taktisch klug agierende Schatzjäger – bahnen sich den Weg bis in die Grabkammer des Pharao, um dort die Sarkophage in ihren Besitz zu nehmen. Rund 45 bis 60 Minuten sind 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren damit beschäftigt, die richtigen Handkarten zur richtigen Zeit einzusetzen, um ihre Figuren bestmöglich auf dem Spielbrett zu positionieren. Das macht Spaß, ist überaus spannend und begeistert mit einem hohen Wiederspielwert.
Das Kartenspiel The Mind ist nur einer von drei Titeln von Wolfgang Warsch, den die Jur des Spiel des Jahres e.V. in diesem Jahr auf ihre Nominierungslisten gesetzt hat. Das kooperative Kartenspiele vom Nürnberger Spielkarten-Verlag ist ebenso banal wie die Spielidee von The Game, brilliert jedoch durch seinen überraschend gut funktionierenden kommunikationslosen Spielablauf, der immer wieder für Überraschungsmomente sorgt. The Mind erstreckt sich dieses Mal über mehrere Level, in die Mitspieler gemeinsam dann aufsteigen, wenn sie das vorherige Levelziel gemeistert haben. Das Grundprinzip ist kaum erwähnenswert: es gilt Zahlenkarten in aufsteigender Reihenfolge abzulegen – in völliger Stille. Kommunikation ist bei The Mind streng verboten und Spieler tun gut daran, sich an diese simple Grundregel zu halten, um die dadurch entstehende Spannung aufrecht zu erhalten. Die Frage nach dem richtigen Spielzeitpunkt schwebt während einer Partie ständig wie ein Damoklesschwert über dem Ablagestapel. Jede zu früh ausgespielte Zahlenkarten kann die Spielerrunde wertvolle Lebenspunkte kosten. Und weil Kommunikation bekanntlich verboten ist, muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden, wann er aktiv wird – unter Abschätzung des Spielverhaltens seiner Mitspieler. Das Zeitgefühl weckt in dem vergleichsweise einfachen Kartenspiel The Mind bei 2 bis 4 Spielern ab 8 Jahren intensive Emotionen, die stetig irgendwo zwischen Aufregung und Verzweiflung pendeln. Das Spielprinzip, das Wolfgang Warsch für The Mind erdacht hat, ist schlicht genial. Und zudem ist das Kartenspiel aus dem Hause NSV für einen Anschaffungspreis von rund zehn Euro äußerst erschwinglich.
Was nun noch fehlt sind die Spiele der Empfehlungsliste. Jeder der sechs Titel auf dieser Liste hat die Nominierung zum Spiel des Jahres 2018 knapp verpasst. Nichtsdestotrotz sorgen alle Brettspiele auf der erweiterten Empfehlungsliste für großartige Momente auf den heimischen Spieltischen.
Von der Jury des Spiel des Jahres e.V. ausdrücklich empfohlen werden aus diesem Jahrgang:
- 5-Minute-Dungeon
- Facecards
- Majesty
- Memoarrr!
- Santorini
- Woodlands
Mit unterschiedlich hohen Einstiegshürden, jedoch stets überdurchschnittlicher Spielqualität gelten die Titel auf der Empfehlungsliste als nennenswerte Alternativen für Spieler, die mit den Nominierten für die Auszeichnung Spiel des Jahres 2018 nicht viel anfangen können (oder die sämtliche Nominées bereits in ihrem Spieleregal stehen haben).
Nominiert für das Kennerspiel des Jahres 2018
Für Vielspieler besonders spannend ist jährlich die Verleihung des Kritikerpreises Kennerspiel des Jahres, so auch 2018. Der Spieleautor Wolfgang Warsch ist mit gleich zwei Titeln in dieser Kategorie vertreten, zusammen mit der Nominierung von The Mind stehen seine Chancen gut eine Auszeichnung abzuräumen. Dennoch gilt wie jedes Jahr: die Konkurrenz ist stark. Und mit Heaven & Ale steht ein spielerisches Schwergewicht auf der Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2018. Das Brettspiel aus dem Hause eggertspiele (Vertrieb: Pegasus) sorgt mit seinen Anforderungen an die Managementfähigkeiten der Spieler für spannende Unterhaltung. Zudem ist das Brettspiel von Michael Kiesling und Andreas Schmidt in ein interessantes Setting eingebettet. Alles dreht sich um die hohe Kunst des Bierbrauens – fernab moderner Abfüllanlagen. In idyllischen Klöstern war die Herstellung hochprozentiger Hopfenkaltschalen noch echte Handarbeit. Das richtige Timing ist bei Heaven & Ale ebenso entscheidend wie gutes Ressourcen-Management. Beide Zutaten sind perfekt, um Vielspieler auch langfristig zu begeistern. Wolfgang Warsch wird es schwer haben, sich mit seinen Nominées Ganz schön clever und Die Quacksalber von Quedlinburg gegen die Konkurrenten durchzusetzen.
Unmöglich ist das allerdings nicht. Insbesondere die Quacksalber von Quedlinburg sorgt mit einer explosiven Mischung für explosive Stimmung. Gänzlich neu ist die Spielidee rund um die Kunst der alchemistischen Kesselsprengungen zwar nicht, dennoch lohnt sich für Kennerspieler ein genauer Blick auf dieses taktische Brettspiel aus dem Hause Schmidt Spiele. Glück ist dabei zwar nicht völlig nebensächlich, dennoch sind es sind oftmals kluge Entscheidungen, die darüber richten, ob ein Gebräu genießbar wird oder nicht. Dank der tollen Illustrationen von Dennis Lohausen (u.a. Glück auf, Terra Mystica) macht Die Quacksalber von Quedlinburg auch optisch einiges her.
Immer neue Rezepte zu kaufen, um die eigenen alchemistischen Fertigkeiten auf die Probe zu stellen, macht 2 bis 4 Spielern ab 8 Jahren Spaß und sorgt für unterhaltsame Spielrunden mit einer Länge von 45 bis 60 Minuten.
Das kurzweilige Würfelspiel Ganz schön clever wirkt gegen seine beiden Konkurrenztitel fast schon ein wenig einfältig. Dennoch hat die Spielidee von Wolfgang Warsch es in sich. Je effizienter Spieler bei dem Eintragen der Würfelergebnisse in ihre persönlichen Spielzettel agieren, desto punktebehafteter Fallen die möglichen Kettenreaktionen aus. Für die Komplettierung eines Bereichs müssen unterschiedliche Muster ausgefüllt werden. Mit jeder neuen Würfelrunde werden den Spielern clevere Entscheidungen abverlangt: genau das macht Ganz schön clever so unglaublich clever. Und weil es nicht nur darum geht, mit einer hohen Punktzahl zu gewinnen, sondern seine persönliche Bestmarke mit jeder Partie zu verbessern, entfaltet dieses vergleichsweise simple Würfelspiel einen enormen Suchtfaktor.
Insgesamt sind für das Kennerspiel des Jahres 2018 also die folgenden Titel nominiert:
- Die Quacksalber von Quendlinburg von Wolfgang Warsch (Schmidt Spiele)
- Ganz schön clever von Wolfgang Warsch (Schmidt Spiele)
- Heaven & Ale von Michael Kiesling und Andreas Schmidt (eggertspiele / Pegasus)
Für weitere unterhaltsame Stunden sorgen die Spiele auf der Empfehlungsliste der Jury. Das Deckbau-Spiel Klong! aus dem Hause Schwerkraft begeistert mit seinem charmanten Fantasy-Setting, bei dem die Abenteurer nahezu jeden Ernst vermissen lassen. Große Hintergrundgeschichte benötigt Klong! nicht, weil Spieler eine Erfahrung teilen: Es gibt einfach bei jeder Schatzjagd diesen einen Leeroy Jenkins! Dass das monströse Drache auf den Plan ruft, ist fast selbstverständlich.
Spieleautor Emanuele Ornella steuert mit Pioneers ein strategisches Westernabenteuer bei, das sich um die geschickte Platzierung der namensgebenden Pioniere dreht. Es gilt, unterschiedliche Figuren mit jeweils eigenen Bonuseffekten im richtigen Moment aus der Postkutsche zu setzen, damit diese zum Ende hin möglichst miteinander verbunden sind. Punkte auf das Brett bringen natürlich auch die Passagiere der Kutsche. Pioneers ist bei Queen Games erschienen und lädt Liebhaber von strategischen Brettspiel dazu ein, die Besiedlungsgeschichte Nordamerikas neu zu schreiben.
Auf der Empfehlungsliste für das Kennerspiel des Jahres 2018 stehen also die folgenden beiden Brettspiele:
- Klong! von Paul Dennen (Schwerkraft Verlag)
- Pioneers von Emanuele Ornella (Queen Games
Nominiert für das Kinderspiel des Jahres 2018
Bei den Kinderspielen geht es meist um kunterbunte Brettspielabenteuer voller Fantasiewesen oder Magie. Das ist größtenteils auch in diesem Jahr der Fall. Ein Titel sticht allerdings durch seinen Fokus auf menschliche Emotionen aus der Masse hervor. Urtas Sulinskas bringt Gefühle für Kinder anschaulich auf das Spielbrett – und die Idee kommt an. Mit Emojito! hat der Verlag Huch! & friends eine spielbare Symbiose aus Lernumgebung und klassischem Brettspiel im Programm. Eine Auszeichnung mit dem Kritikerpreis Kinderspiel des Jahres 2018 wäre bei der Qualität des Spiels sowie der Grundidee kaum überraschend.
Insgesamt hat die Jury die folgenden Titel für das Kinderspiel des Jahres 2018 nominiert:
- Emojito! von Urtas Sulinskas (Huch! & friends)
- Funkelschatz von Lena und Günter Burkhardt
- Panic Mansion von Asker Sams Granerud und Daniel Skjold Pedersen (Blue Orange / Asmodee)
Drachenfreunde erhalten mit Funkelschatz von HABA den passenden Titel. Das kindgerechte Fantasiebrettspiel greift auf ein eher klassisches Setting zurück, das Kinder schon aus unzähligen ähnlichen Kinderbrettspielen bekannt sein dürfte. Dennoch begeistert Funkelschatz Kinderherzen, weil die Kombination aus Story, Spielidee, Ablauf und Material derart gut funktioniert, dass sich dieses Brettspiel aus der Masse hervorheben kann.
Einen Ausflug in eine mysteriöse Villa wagen Kinder, die sich mit dem Nominée Panic Mansion beschäftigen. Das Kinderspiel sorgt für reichlich Action: durch Kippen und Schütteln der Schachtel sollen ein Abenteurer sowie drei Schatzkisten in die entsprechenden Zimmer der Villa befördert werden – natürlich möglichst unter Auslassung der übrigen Hausgegenstände, bestehend etwa aus Spinne oder Geister. Verschiedene Spielvarianten machen aus Panic Mansion ein aufregendes Familienabenteuer, bei dem das kindgerechte Rüttelspiel die Idee des haptischen Feedbacks perfekt umzusetzen weiß. Panic Mansion ist hektisch, wenig lehrreich – dafür aber umso unterhaltsamer.
Auf der Empfehlungsliste befinden sich weitere fünf Kinderbrettspiele:
- Die Legende des Wendigo
- Dino World
- Rhino Hero Super Battle
- SOS Dino
- Speed Colors
Nur fünf Titel auf die Empfehlungsliste zu setzen ist für die Jury des Spiel des Jahres e.V. ein Zeichen der Kritik. Die Kinderspiel-Koordinatorin Sabine Koppelberg hat offensichtliche Kritikpunkte im Bereich der Kinderbrettspiele in einem Kommentar zum Jahrgang 2018 angesprochen. Mangelnde redaktionelle Überarbeitungen, fehlerhafte Regelwerke und ungleich austarierte Spielmechanismen sind drei Faktoren, die den Spielexperten aufgefallen sind. Sabine Koppelberg schreibt dazu:
„Nicht ganz so helden- und märchenhaft sehen wir die Umsetzung vieler Spiele in diesem Jahrgang. Schon nach wenigen Spielrunden wurden kritische Punkte deutlich: Außergewöhnliche Spielideen, bei denen verschiedene Mechanismen auf den ersten Blick sehr reizvoll miteinander kombiniert wurden, sind nicht richtig austariert. Da unterfordert beispielsweise der Geschicklichkeitsanteil die Kinder, während das Memo-Element zu anspruchsvoll ist. Oder die Kinder sind nicht in der Lage, das Zubehör zu benutzen. Sie benötigen Hilfe, um nicht exakt gearbeitete Holzblöcke mit Spielfiguren zu überwinden oder eine Schiene aus Pappe im Spielplan zu verschieben. Gerade Spielmaterial aus Pappe war leider häufig nicht stabil genug produziert, um viele Partien auszuhalten, so dass beispielsweise Bäume, Berge oder Vulkane schon nach wenigen Runden verknickten oder Ecken ausgefranst waren.
Am meisten geärgert haben uns in diesem Jahr allerdings fehlerhafte Regeln ohne eine sorgfältige redaktionelle Überarbeitung. Gerade bei den internationalen Verlagen führten teils irreführende und lückenhafte Übersetzungen zu Ratlosigkeit und frustriertem Achselzucken am Spieltisch. Hier rein intuitiv richtig zu spielen – das schafften nur spielerfahrene Erwachsene. Einige außergewöhnliche und umwerfende Spielideen, die wir und die Kinder richtig toll fanden, haben es deshalb nicht auf unsere Empfehlungsliste geschafft. Das ist unglaublich schade, zumal diese Defizite schon nach der ersten Partie offensichtlich waren. Hier fragen wir uns, woran das liegt? Stehen die Verlage oder der deutsche Vertrieb tatsächlich unter solch hohem Druck, dass sie die Neuerscheinung mit der heißen Nadel gestrickt in den Markt pumpen müssen?
Weitere an sich rundum überzeugende Neuerscheinungen haben es nicht auf unsere aktuelle Liste geschafft, weil deren flächendeckende Verfügbarkeit im Handel zum heutigen Zeitpunkt nur marginal beziehungsweise noch gar nicht garantiert ist. Auch das ist sehr schade.
Aus diesen Gründen haben wir die maximale Zahl von 10 zu empfehlenden Kinderspielen in diesem Jahr nicht voll ausgeschöpft, dafür aber acht sehr unterschiedliche Spiele für Kinder zwischen fünf und sieben Jahren ausgewählt, von denen wir hoffen, dass sie möglichst vielen Kindern lange Freude bereiten.
Darunter die drei Kandidaten für die Auszeichnung „Kinderspiel des Jahres 2018“, die uns ganz besonders überzeugt haben, mit einer ungewöhnlichen Spielidee, einem verständlichem Regelwerk, stabilem, kindgerechten Spielmaterial und vor allem jeder Menge Spielspaß für Kinder und ältere Mitspielende.“
Es scheint als seien Kinder als Zielgruppe kaum die Mühe wert ein fehlerfreies und flüssiges Spielerlebnis zu schaffen – vielleicht weil Kinder an den ihnen vorgesetzten Spielen keinerlei Kritik üben werden. Eines sollten Verlage dabei nicht vergessen: spielende Kinder von heute sind die Brettspieler von morgen. Wer in jungen Jahren Brett- und Kartenspiele als wertvolle Erlebnisse erfährt, wird dem physischen Spielen treu bleiben, vielleicht sogar ein Leben lang.