Sonne, antike Geschichte, architektonische Meisterstücke: die griechische Insel Santorin steht für vieles. Dank Spin Master ist die Insel der Kykladen nun auch für ein spannendes Brettspiel bekannt. Santorini ist ein einsteigerfreundliches Spiel, in dem es darum geht, jene weißen Häuser aufzubauen, für die die Orte Fira und Oia so berühmt sind. Mit diesem Titel ist Spin Master ein echter Überraschungserfolg gelungen, immerhin stand das Spiel mit fünf weiteren Titeln auf der Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2018. Weil man Santorini als passionierter Gesellschaftsspieler nicht ignorieren darf, haben wir die Reise auf die plastene Insel angetreten und dort eine wunderschöne Zeit verbracht. Weshalb uns der spielerische Ausflug so gut gefallen hat, verraten wir in der nachfolgenden Brettspiel-Rezension zu Santorini von Spin Master.
Schaffe, schaffe, Häusle baue
Jeder kennt sie: die weißwandigen Steinhäuser mit blauen Dächern, die punktuell den Mittelmeerraum prägen. Bei dem Brettspiel Santorini geht es darum, genau diese Bauwerke zu erschaffen. Ebene um Ebene wachsen die Häuser von Santorin in die Höhe, solange bis einer der Spieler geschafft hat, seine Figur auf die dritte Etage zu befördern. Dank der hervorragend ausgearbeiteten Regelanleitung ist Santorini besonders einsteigerfreundliches Bauspiel. Nicht zuletzt liegt das an den überschaubaren Spielhandlungen, die aus zwei Aktionen bestehen: Bauen und Bewegung.
Das klingt in der Theorie enorm einfach: schnell einige Gebäudeebenen stapeln und die Spielfigur hinbewegen, schon ist einem der Sieg sicher. Auf dem Brett gestaltet sich der Ablauf einer Partie Santorini alles andere als simpel – zumindest was schnelle Siegstrategien angeht. So schön die blauen Dächer auch sein mögen, für Brettspiele sind die Konstruktionen kleine Katastrophen. Wurde einem Gebäude bei Santorini nämlich ein Dach aufgesetzt, wird es quasi unbrauchbar. Die dritte Ebene, und damit die Gewinnebene, ist schlicht nicht mehr betretbar. Man erkennt schnell, dass es sich bei Santorini von Spin Master um ein klassisches kompetitives Bauspiel handelt – es sei denn, man entscheidet sich für eine Runde zu viert, dann wird im Team gegen das andere Duo gespielt. Cleveres Positionsmanagement ist der Schlüssel zum Erfolg.
Nach dem kinderleichten Aufbau des Brettspiels, führen Mitspieler beginnend mit dem jüngsten Teilnehmer im Uhrzeigersinn ihre Aktionen aus. Die Bewegungsregeln sind simpel: seine Figur ziehen dürfen Spieler nur auf freie Felder und in die Höhe jeweils nur um eine Ebene. Bei einem Abstieg entfällt diese Limitierung, sodass man seine Spielfiguren auch über mehrere Etagen nach unten bewegen darf. Lediglich das Betreten der Dächer ist untersagt. Gebaut werden darf auf Feldern, die an die eigenen Spielfiguren grenzen.
Dabei sind die Spieler frei in ihren Konstruktionsvorhaben, die Ebene um Ebene in die Höhe gebaut werden. Jedes Gebäude besteht aus insgesamt vier Teilen: drei Etagen sowie dem Dach. Bei all der Einfachheit ist dennoch Aufmerksamkeit und ein gewisser Grad an vorausschauender Planung gefragt, denn kann einer der Spieler seine Figuren nicht bewegen noch Etwas bauen, ist die Partie für ihn vorzeitig beendet.
Weil höhere Ebenen zudem nur schrittweise betreten werden können, ist bauliches Geschick gefragt, denn es wird eine treppenartige Gebäudereihe benötigt, um auf die Gewinnetage zu gelangen. Weil das allerdings auch der Gegenspieler weiß und Gebäude stets von allen betreten werden dürfen, spielt sich Santorini für eine abstrakte Variante eines 4-gewinnt. Je nach Spielsituation kann es sich als äußerst sinnvoll erweisen, seine Siegstrategie zu überdenken. Statt weiter auf einen Sieg durch das Erreichen der Gewinnebene anzustreben, kann es mitunter effizienter sein, den Gegner schlicht bis zur Bewegungsunfähigkeit einzumauern.
Damit gilt: Freud und Leid liegen eng beieinander und ihren Emotionen verleihen Spieler häufiger Ausdruck. Dass dieses Brettspiel auf der Empfehlungsliste Spiel des Jahres 2018 steht, ist keine Überraschung.
Die Götter müssen verrückt sein
Bauspiele gibt es viele, Spieler werden sich daher zurecht die Frage danach stellen, warum sie Santorini spielen sollten, wenn sie doch auf wesentlich komplexere Bauspiele zurückgreifen könnten. Ganz einfach: Santorini von Spin Master macht mächtig viel Spaß. Das liegt vor allem an der anhalten Spannung, die das simple Brettspiel auf die Spieltische bringt. Die eingängigen Mechaniken sorgen dafür, dass Spieler sich vollständig auf ihre Spielhandlungen, und natürlich die der Gegner, konzentrieren können. Runde für Runde wird das Wettrennen intensiver, spannender und damit auch unterhaltsamer.
Stets gilt es, einen eigenen Plan zu verfolgen und auf die Aktionen des Gegners clever zu reagieren. Schon in der simplen Grundvariante entfaltet sich eine aufregende Dynamik, die durch die beiliegenden Götterkarten noch aufwühlender wird. Das volle Potenzial entfaltet Santorini dabei im klassischen Duellmodus. Spieler gegen Spieler, Baumeister gegen Baumeister – mit jeweils zwei Figuren pro Seite, deren Startpositionen zu Beginn auf dem 5 x 5 Felder großen Spielplan frei gewählt werden dürfen.
Nach einigen Spielpartien stellt sich auch bei Santorini eine gewisse Routine ein. Durchbrechen kann man diesen Trott durch den Einsatz der sogenannten Götterkarten, von denen insgesamt 30 dem Brettspiel beiliegen. Vor dem ersten Zug wird jedem Spieler eine der Götterkarten zugeordnet, die über individuelle – nicht aber für beide Seiten gleiche – Spezialeffekte verfügen. Diese Asymmetrie durchbricht zwar die Routine des Spiels, tut dem Spielablauf allerdings nicht immer gut. Das liegt mitunter daran, dass einige Spezialfähigkeiten enorm mächtig sind. Schier übermenschlich, letztendlich göttlich. Das scheint gewollt und funktioniert überwiegend, aber noch lange nicht immer. So manche Partie wird durch die Auswahl der „falschen richtigen“ Götterkarten ziemlich verwässert, weil die grundlegende Gewinnvoraussetzung völlig in den Hintergrund tritt. Die Götterkarten sorgen in jedem Fall für Abwechslung, ob Spieler diese Variante nutzen, ist aber Geschmackssache – und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
Als Auflockerung taugen die Spezialfähigkeiten jedenfalls, richtig ausbalanciert und damit symmetrisch macht Santorini meistens mehr Spaß.
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 4 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 bis 50 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Spin Master
Autor: Gordon Hamilton
Grafik: David Forest, Lina Cossette
Erscheinungsjahr: 2017
Sprache: deutsch
Kosten: 35 Euro
Fazit
Die Neuauflage von Santorini ist der ursprüngliche Version enorm ähnlich. Hie und da wurde dem Regelwerk ein neuer Anstrich verpasst, insgesamt orientiert sich das Grundgerüst jedoch an der Version aus dem Jahr 2007. Völlig überarbeitet wurde dagegen die Optik des Bauspiels: die tollen 3D-Aufbauten bieten Spielern einiges für die Augen und auch die Illustrationen der Götterkarten sind hervorragend. Je mehr das Spielbrett im Laufe einer Partie in die Höhe wächst, desto besser sieht Santorini auf dem Tisch aus.
Das Grundthema ist hingegen austauschbar. Santorini ist abstrakt: eine Hintergrundgeschichte wird bei Santorini nicht erzählt, beziehungsweise ist nur rudimentär vorhanden. Statt auf der Insel der Kykladen könnte das Spiel auch im Bayrischen Wald oder in einem gallischen Dorf spielen. Wie immer das Thema auch lauten mag, das man für die Spielmechanik nutzt, die Grundidee zündet unabhängig von tiefsinnigen Inhalten.
Santorini ist eine plastene Materialschlacht: 72 Hausbauteile aus Kunststoff plus Figuren machen aus diesem Brettspiel keinen zukünftigen Preisträger für besonders umweltschonende Produktionsprozesse. Das kann man unter rein ökologischen Gesichtspunkten als Makel betrachten, weil der Preis eines Gesellschaftsspiels bei Interessenten aber immer wesentlich ist, wird Kunststoff auch in Zukunft der primäre Werkstoff bleiben.
Die Stärke von Santorini offenbart sich in den taktischen Geplänkeln. Die eigenen Züge vorauszuplanen und dabei stets die Möglichkeiten des Gegners im Auge zu behalten erzeugt Spannung. Der Vergleich mit Vier gewinnt verdeutlicht: jeder Spieler kann zu Beginn seine eigenen Baupläne realisieren, doch es kommt ein Punkt, an dem sich die Strategien der Spieler zwangsläufig berühren. Von diesem Punkt an steigt die Spannungskurve exponentiell an. Statt nur zu agieren, muss jeder Spieler auf den Gegner reagieren – natürlich ohne dabei grundlegende Baufehler zu begehen, die der Opponent für sich nutzen könnte. Mit Glück hat Santorini wenig zu tun. Die Optionen der Spieler sind zu jedem Zeitpunkt transparent, auch wenn man nicht immer mit Sicherheit vorhersagen, welche Aktionen der Gegner im Detail durchführen wird. Die „Hundertprozentigen“ kommen allerdings in nahezu jeder Partie vor. Wer den Gegner derart in die Enge treiben konnte, dass ihm nur wenige absolut vorhersagbare Handlungen bleiben, ist dem Sieg nah.
In der asymmetrischen Variante wird der klassische Ablauf bisweilen kräftig durcheinander gewürfelt. Das ist nicht unbedingt schlecht, führt jedoch zu einem völlig anderen Spielgefühl, bei dem die austarierte taktische Komponente spürbar abgemildert wird. Weil das nicht jeder Spieler mag, sollte man mit den Götterkarten behutsam umgehen, gegebenenfalls sogar einige unliebsame göttliche Kräfte aussortieren. Unterschiedliche Götterkarten in immer anderen Kombinationen auszuprobieren sorgt allerdings für enorm kurzweiliges Spielvergnügen. Sich ständig auf neue Spielsituationen einlassen und darauf reagieren zu müssen, hält Spieler bei Laune und macht aus Santorini ein durchaus motivierendes Brettspiel.
Ob man Santorini fairerweise besser als reines Zwei-Personen-Brettspiel hätte benennen sollen, ist ein Streitpunkt. Ja, das Regelwerk lässt auch Runden mit drei oder gar vier Spielern zu, allerdings funktioniert das Spielprinzip am besten in einem klassischen Duell. Die Variante mit vier Spielern unterscheidet sich nur durch die Aufteilung der Figuren aufgrund des Team-Spiels, die Variante zu dritt wirkt hingegen etwas aufgesetzt.
Insgesamt funktioniert das Positionsspiel allerdings hervorragend und sorgt für jede Menge spannende, lustige und frustrierende Momente – etwa wenn der Gegner im letzten Moment doch noch die Siegchance verbaut, sich versehentlich selbst einbaut oder taktisch so klug agiert, dass die Bewegungseinschränkungen mit jedem Zug zunehmen. Der schnelle Spielablauf unterhält, die Optik ist beeindruckend – es gibt keinen Grund dafür, Santorini nicht wenigstens auszuprobieren.