Fifa 21 ist veröffentlicht worden und damit stellt sich auch in diesem Jahr wieder die zentrale Frage: Teures Kader-Update oder echte Weiterentwicklung der Serie? Die nicht ganz eindeutige Antwort: Beides! Unter Corona-Bedingungen – Home-Office-Arbeit inklusive – die Sportsimulation spürbar auf eine neue Stufe zu heben, das scheint auch für den Branchenriesen Electronic Arts eine zu große Herausforderung gewesen zu sein. Statt Innovationen oder großer Umbrüche gibt es bei Fifa 21 Detailverbesserungen – und naja, das obligatorische Kader-Update. Gelungen ist der neue Ableger der Serie jedenfalls, wenn auch nicht vollumfänglich.
In den Stadien tobt der Bär. In den gefüllten Arenen jubeln tausende Fans ihrer Mannschaft zu. Die Stimmung ist gut, Tore fallen wie am Fließband. Fußballatmosphäre pur. Das gibt es derzeit allerdings nur virtuell: bei Fifa 21 ist von Corona keine Spur. Fast hätte man sich gewünscht, Electronic Arts hätte dem Virus einen Seitenhieb verpasst und Mannschaften wahlweise auch vor leeren Rängen spielen lassen. Warum? Weil die Fifa-Reihe eben auch eine Sportsimulation ist und versucht, die fußballerische Realität so gut wie möglich abzubilden. Sei es drum: Der Kick im vollen Stadion macht ohnehin mehr Spaß. Und Fifa 21 macht Spaß, daran lässt sich nicht rütteln. Alles prima aufm Platz? Mitnichten.
Der Zahn der Zeit nagt an der Fifa-Reihe
Echte Fans greifen zu, sobald Fifa im Handel erhältlich ist, viele spielen es im Rahmen der Teststunden vorab via EA Play, so auch in diesem Jahr. Rund 3,6 Millionen Spieler haben sich bereits aufgemacht, ihre Teams zu den Titeln zu führen. Auch Fifa 21 zieht Fußballfans in Massen an – und dass, obwohl es eigentlich nur ein rudimentär verbessertes Fifa 20 ist.
Die Zeit dreht sich schnell und EA Sports scheint da mit der Fifa-Reihe nicht hinterher zu kommen. Natürlich sind die jährlichen Neuauflage mehr als reine Datenbank-Updates: The Journey, der durchaus spaßige Volta-Modus, die UEFA-Lizenz – all das sind Inhalte, die die Serie spürbar bereichern. Es hakt bei grundlegenderen Dingen: Zum Beispiel daran, dass sich Fifa trotz immer wieder angepasster Gameplay-Details immer gleich anfühlt, so eben auch in diesem Jahr. Wer sich daran nicht stört, wird mit Fifa 21 gut und auch langfristig unterhalten. Wer Innovationen erwartet, muss Geduld aufbringen und darauf hoffen, dass die Entwickler und EA Sports irgendwann einmal ihre Wohlfühlzone verlassen, um Veränderungen anzustoßen. Das mag durchaus riskant sein, könnte im schlimmsten Fall sogar dazu führen, dass langjährige Fans vergrault werden, würde der Fifa-Reihe aber mittelfristig gut tun.
Große Veränderungen gibt es nicht in diesem Jahr. Die Entwickler der beiden Studios EA Canada und EA Romania haben an den kleinen Stellschrauben gedreht, die Torhüter angepasst, damit wieder mehr Tore fallen; den Spaßfaktor beim Flankenschlagen zurückgeholt und das Gameplay insgesamt etwas runder, flüssiger gestalten können.
Dennoch: Wer auf das aktuelle Kader-Update verzichten kann, hat mit Fifa 20 ähnlich viel Spaß. Dank des kostenlosen Upgrades auf die Next-Gen-Varianten lohnt sich der Kauf von Fifa 21 am Ende vielleicht doch für unentschlossene Fans, das ist derzeit allerdings kaum zu prophezeien, denn über die Next-Gen-Versionen ist nichts bekannt. Man stellt sich mehr als einmal die Frage, ob man dafür denn rund 60 Euro ausgeben muss. Klar, die Grafik ist angepasst und die Spieler sehen so realistisch aus wie niemals zuvor, die Kader sind alle auf dem aktuellen Stand und die Spielerstärken wurden angepasst – man muss schon Fan der Reihe sein oder als Fan seines Lieblingsclubs auf das Update gewartet haben, um mit gutem Gewissen den Vollpreis für das Spiel zu bezahlen. Konami ist aus diesem Grund einen anderen Weg gegangen in diesem Jahr: Statt Neuauflage gab es ein Update für PES 2020, das wurde genau so kommuniziert und dann zu einem Preis von 30 Euro Angeboten.
Das Paradoxe an Fifa ist: Man kann im Vorfeld viel schimpfen, die Preispolitik kritisieren, sich über mangelnde Innovationen beschweren – sobald der Ball erstmal rollt auf dem Rasen, ist der Ärger schnell vergessen. Auch Fifa 21 spielt aufm Platz, und damit „da wo wichtig is“, seine Stärken aus. Das Gameplay ist so flüssig wie eh und je, alles fühlt sich bei der diesjährigen Auflage sogar noch eine Spur runder, realistischer an. Selbst Einsteiger finden schnell in die Partie. Fifa war schon immer dafür bekannt, ein Spielerlebnis zu bieten, das Anfänger ebenso mitreißen kann wie Profis.
Das Gleichgewicht zwischen Einsteigerfreundlichkeit und dem Streben nach Optimierung gelingt erneut. Wer die Grundlage erst erlernt hat, wird als nächstes als Taktik und Technik arbeiten – und sich dann zu Toren kombinieren. Wirklich notwendig ist das aber nicht, selbst Anfänger bringen den Ball durch die angepassten Fähigkeiten der Torhüter oft genug im Netz unter. Die sonst so „perfekte Torwart-KI“ macht „Fehler“, natürlich gewollt. Abpraller lassen sich so verwerten und in Zählbares ummünzen und Flanken kommen tatsächlich aus verschiedenen Positionen bei den Mitspielern an. Ohnehin haben die Entwickler insbesondere am Angriffsverhalten gefeilt: Schneller Körpertäuschungen, gut getimte Sprints, der tödliche Pass in die Tiefe – vieles, das vormals noch unnötige Spielerei gewesen ist, lässt sich nun im offensiven Mittelfeld oder im Sturm auch zum Torabschluss bringen. Das liegt nicht zuletzt auch am deutlich verbesserten KI-Verhalten der Mitspieler: Die vormals streckenweise tumben Angreifer positionieren sich besser, scheinen einen zielgerichteteren Zug zum Tor zu haben. Kurzum: Die Künstliche Intelligenz ist schlauer geworden – und das gilt besonders für jene Akteure mit hohen Spielerwertungen.
Ob das der große Wurf ist? Nicht unbedingt, denn es verändert sich dadurch erstmal nur der Spielablauf. Es fallen mehr Tore, der Angriff bringt mehr Spaß. Das alles spielt sich aber auf Kosten der Defensive ab. Die macht nämlich bei Fifa 21 einen spürbaren Rückschritt. Man wird leichter ausgedribbelt, kann manchmal nur dem Ball hinterher schauen, in der Verteidigung spielt es sich nicht mehr ganz so rund, auch wenn man dem Angreifer längst nicht hilflos gegenüber steht. Die Verteidigung war noch nie das Aushängeschild der Fifa-Reihe, aber in den Vorgängern schien man eine Partie auch mit einer guten Defensive entscheiden zu können, in diesem Jahr stehen hingegen alle Wichen auf Offensivfußball. Wirklich schlecht ist das am Ende nicht: der Budenzauber macht Spaß und es geht nicht mal mehr nur um die schiere Anzahl an Toren, sondern wie man den Ball besonders eindrucksvoll einnetzen kann.
Karrieremodus: Verbessert ja, insgesamt aber verwaltet
Die größte Baustelle der Fifa-Reihe lassen die Entwickler auch in diesem Jahr eher unangetastet: den Karrieremodus. Der Part des Spiels folgt dem bekannten Konzept, es gibt einige Änderungen – sogar Verbesserungen – und insgesamt funktioniert der Modus auch, dennoch fühlt es sich wie Stagnation an in einem der Kernbereich der Fifa-Serie.
Fifa 21 schafft im Karrieremodus nicht den Sprung in die nächsthöhere Spielklasse, was schade ist, denn man merkt anhand der kleinen Verbesserungen, dass die Entwickler wollen. Erkennbar wird das vor allem im Trainingsbereich. Man hat mehr Kontrolle über die Spieler, über ihre Ausbildung, kann feinjustieren – und das macht Spaß. Mehr noch: Es war längst nötig, dem Manager auf praktikable Art zu überlassen, was Spieler trainieren, wann man sich umtrainiert oder welchen Spielstil sie auf den Platz bringen sollen. So wenig Neues Fifa 21 auch hervorbringt, die Verbesserungen bezüglich der Kontrolle über die jungen Spieler zeigt, dass die Entwickler in die richtige Richtungen denken. Spieler in der eigenen Fußballschmiede auszubilden, ist nun endlich reizvoll. Ansonsten bietet der Karrieremodus die bekannten Kniffe, wenn auch an einigen Stellen leicht modifiziert.
Was auch bei Fifa 21 zieht und anzieht, ist der Volta-Modus. Das schnelle Spiel auf den Straßenplätzen sorgt für Kurzweil, diesmal dürfen Freunde auch mit- bzw. gegeneinander in Online-Partien antreten. Diese Verbesserung ist nicht nur spürbar, sondern war längst überfällig und hebt Fifa zumindest als Mehrspieler-Spiel auf eine neue Stufe. Ein Muss ist das aber nicht: Wer lieber alleine spielt, kann das problemlos tun und eine spaßige Zeit haben. Auf die bekannten Story-Elemente muss man aber Verzicht üben, denn die „Alternative“ zu Alex Hunter und Co. ist dürftig ausgefallen. Die eingefügten Cutscenes wirken eher wie unter dem Druck der Erwartungen in das Spielkorsett gezwängt, wirklich gelungen ist das nicht. Eine echte Kampagne gibt es also nicht, stattdessen eine Mini-Story, die zeitlich insgesamt nicht viel länger ist als ein Pokalfinale mit Elfmeterschießen.
Worauf EA Sports auch bei Fifa 21 nicht verzichtet, ist der Gelddruck-Modus, liebevoll auch Fifa Ultimate Team genannt. Das Electronic Arts diese Möglichkeit der Monetarisierung ausreizt, verständlich. Im Grunde wäre daran auch nichts auszusetzen, wäre da nicht das „Glücksspiel“-System, das hinter dem Modus steckt. Wer oben mitspielen will, muss investieren. Die Mär, man könne alles auch ohne Geldeinsatz erreichen, hält sich zwar, vermutlich aber eher, weil die Mannschaften zum Ende des „Lebenszyklus“ von Fifa 20 so aufpoliert worden sind, dass man ohnehin kaum mehr nachbessern könnte.
Grundsätzlich stimmt zwar, dass Spieler, die intensiv Matches am Fließband absolvieren, auch Spieler-Packs kaufen können, weil das so dermaßen glückslastig ist, wird man sein „Dream Team“ kaum durch wenige Paketkäufe realisieren können und durch Transfers bei den absurd hohen Preisen für Star-Spieler schon gar nicht. Die Alternative, um oben mitzuspielen, solange die Saison noch heiß ist, bleibt, Geld zu investieren. Und damit EA Sports auch wieder verdienen kann, legt man den Schalter um und beginnt Fifa 21 „frisch vom Start“ – mit nicht mehr als einer Handvoll ordentlicher Spieler, die gegen die richtigen Stars auf dem Platz allerdings alt aussehen. Die Spanne zwischen bekannter Fußballgröße und Mega-Star ist gigantisch, auch wenn zwischen Spielern manchmal nur vermeintlich wenige Bewertungspunkte liegen.
Infobox
Spielerzahl: Solo- und Multiplayer
Alter: ab 0 (USK)
Schwierigkeit: mittel bis schwer
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: EA Sports
Entwickler: EA Canada, EA Romania
Erscheinungsjahr: 2020
Plattformen: PC, Xbox, Playstation, Nintendo Switch, Xbox Series X | S, Playstation 5
Sprachen: Deutsch
Kosten: 59,99 Euro
Fazit
Fans müssen stark sein in diesem Jahr. Fifa 21 bringt keine Umarbeitung der Reihe und setzt auf Detailverbesserungen statt auf Innovationen. Spielerisch kommt der Sportsimulation zugute, auch wenn Fifa im Corona-Jahr alles andere als authentisch aussieht: Masken trägt keiner, weder Spieler noch Betreuer oder Fans; die Ränge sind voll mit jubelnden Anhängern und auch sonst scheint Corona überhaupt keine Rolle zu spielen im virtuellen Fußball. Klar, die Ansteckungsgefahr ist im Pixelbereich nicht vorhanden, wozu also Masken tragen? Weil EA Sports ansonst stets das möglichst authentische Spielgefühl in den Fokus hebt.
Das ist insgesamt ein kleiner Makel, allerdings einer von vielen. Wo Bayern-Fans noch verschmerzen können, dass die Allianz-Arena nicht im Spiel enthalten ist, fällt der Verzicht auf eine Runderneuerung des Karrieremodus deutlich negativer auf, dabei haben die Entwickler bereits angefangen, in die richtige Richtung zu arbeiten: Endlich lohnt es sich, den Nachwuchs in den eigenen Akademien heranzuzüchten, man hat als Manager mehr Kontrolle über seine Spieler und deren Fähigkeiten und überhaupt ist der Karrieremodus viel näher dran an dem, was er sein will: eine Art Manager-Erfahrung light. Den Weg müssen die Entwickler weiter verfolgen!
Abseits des Rasens hat sich wenig verändert: Hier und da gab es Anpassungen. Darunter nun auch die Möglichkeit, Volta mit Freunden online zu spielen (super!), dafür gibt es kaum mehr Story (nicht so super!). Rollt der Ball allerdings erst, packt einen das Fifa-Fieber. Das liegt auch daran, dass die Entwickler in diesem Jahr das einfachere Toreschießen wieder erlauben. Die Torhüter sind abgeschwächt, was kein Makel ist, sondern realistisch. Der Schlussmann vergeigt mitunter seine Flugeinlage, faustet die Flanke vor die Füße des lauernden Stürmers und erlaubt einfach mehr Fußball. In Kombination mit der rückschrittigen Defensive boomt der Offensivfußball bei Fifa 21. Tika-Taka am Strafraum, dann der erfolgreiche Abschluss: der Jubel über solche Taktiken ist groß. Die Abwehr kann kaum mithalten, wenn agile Spieler nach einer schnellen Drehung davonziehen, um dann von der Seitenlinie – endlich mal wieder – eine Flanke zu schlagen.
Ein Zwang zum Kauf steckt hinter Fifa 21 aufgrund der mageren Anpassungen aber nicht. Ja, die Entwickler holen grafisch noch einmal alles heraus aus der aktuellen Konsolengeneration und das Gameplay ist so flüssig wie nie, dennoch bleibt der fade Beigeschmack der Stagnation. Ein reines Kader-Update ist Fifa 21 am Ende aber nicht. Neueinsteiger greifen bedenkenlos zu, Veteranen und echte Fans werden vermutlich ohnehin kaufen, wer sich in der Zielgruppe irgendwo dazwischen sieht, sollte zweimal über die Anschaffung nachdenken. Am Fußballspiel und Unterhaltungswert scheitert Fifa 21 allerdings nicht.