Ganz viel Taktik im Test zu Sniper Elite: The Board Game. Zu der Videospielreihe Sniper Elite gibt es inzwischen auch ein Brettspiel. Über den britischen Verlag Rebellion Unplugged ist der strategische Titel erschienen, der sich mit seinem Mr. X-Stealth-Konzept eng an die Idee der Gaming-Vorlage hält. Im Team gegen einen nahezu unsichtbaren Gegner spielen – kann das überhaupt funktionieren? Ja, und wie!
Sniper Elite ist keine für das Brettspiele neue Erfindung gewesen. Bereits seit 2005 existiert die Third-Person-Shooter-Reihe von Rebellion Developments, die sei der V2-Auflage des Genre-Mixes ihre Finger im und am Spiel haben – zuvor feierten die Publisher MC2 und Namco Hometek das Debüt des Videospiels, damals für Playstation 2, Xbox, PC und Wii. Inzwischen ist der fünfte Teil der Hauptreihe auf den Markt gekommen, zwischenzeitlich gab es noch Zombie-Shooter-Ableger.
Einer gegen alle, alle gegen einen
Mehr als zehn Millionen Mal sind die Spiele der Sniper-Elite-Serie über die Ladentheken gegangen. Von derartigen Zahlen weit entfernt ist das inzwischen verfügbare Brettspiel Sniper Elite: The Board Game. Das hatte Rebellion Unplugged als erst zweiten Titel überhaupt aus dem Verlagsportfolio per Crowdfunding über Kickstarter finanziert – knapp über 100.000 Euro konnte die Kampagne, an der rund 1.600 Unterstützer sich beteiligten, generieren. Viel oder weniger? Schwer zu sagen: Zwar ist Sniper Elite eine bekannte Reihe in der Games-Branche, die Titel erhielten teils jedoch auch eher mäßige Kritiken. Immerhin: Der neueste Eintrag der Reihe, Sniper Elite 5, ist durchaus gelungen.
Das Brettspiel orientiert sich an dem Videospiel, das grundlegend ein Third-Person-Shooter ist, jedoch auch mit ausgeprägten Stealth-Elementen arbeitet. Genau das haben die Autoren Roger Tankersley und David Thompson sowie David Túrczi für den Solo-Modus des Brettspiels letztendlich umgesetzt: Zwei Partien, der Sniper und drei böse Soldaten-Squads (Verteidiger) aus jeweils drei Figuren, verfolgen eigene Ziele. Sniper Elite: The Board Game ist hochgradig asymmetrisch. Dem Sniper muss es gelingen, zwei zufällig und unter bestimmten Regeln bestimmte Ziele zu erfüllen. Die Deutsche Soldaten hingegen muss Zeit schinden oder den Elitekämpfer zweimal verwunden, um zu gewinnen.
Spannende Katz-und-Maus-Jagd
Das funktioniert außerordentlich gut und fühlt sich unverbraucht an, obwohl Stealth-Mechaniken auch in Brettspielen längt zum Einsatz gekommen sind. Jüngst gab es nur zu wenige Vertreter des klassischen Konzepts eines Scotland Yard – Die Jagd nach Mr. X. Also freut man sich zunächst darüber, dass man überhaupt mal wieder ein waschechtes Katz-und Maus-Brettspiel auf den Tisch bekommen darf. Der Einstieg gestaltet sich dabei erfreulich einfach: der Aufbau ist binnen fünf Minuten erledigt, denn viel braucht es als Vorbereitung nicht. Spielplanseite auswählen, Soldatentruppen auf die Startfelder stellen, kurz die Spezialisierungen für die Offizieren wählen und dem Sniper etwas Zeit geben, um sich mit den Ausrüstungskarten auf seine Mission vorzubereiten. Dann ist auch schon Krieg.
Optisch scheint der Titel zunächst gar nicht so viel herzumachen. Der Stil ist vergleichsweise minimalistisch. Wer die Videospiele kennt, dürfte sich dennoch wie zu Hause fühlen. Im Mittelpunkt steht letztendlich das Stealth-Konzept. Der Sniper markiert hierzu seine Bewegungen auf einem eigenen Brett, enttarnt wird er entweder aktiv durch die gegnerischen Soldatentruppen oder durch eigene Manöver. Schüsse auf die Truppen können, müssen aber nicht, zum Aufdecken führen.
Ein Token-Mechanismus entscheidet darüber: Als Sniper „verrät“ man den Gegnern, dass man auf sie schießen wird und gibt eine Entfernung vor, die sich in der Anzahl der gezogenen Tokens widerspiegelt. Und irgendwie verrät man es aber doch nicht, denn man kann den Umfang der Ziehung selbst bestimmen. Auch für Schüsse aus kürzester Distanz lassen sich etwas „zu viele“ Tokens aus dem Beutel holen. So kann man falsche Spuren legen. Lediglich ein Zuviel an Rückstößen und/oder Geräuschen führt zur Enttarnung. Dann wird es manchmal hektisch, denn sollten die Soldaten die Position des Snipers erahnen oder gar festlegen können, bleibt meist nur die Flucht nach vor. Dann wird gerannt und nicht geschlichen – das wiederum resultiert in Geräuschen, die man den gegnerischen Truppen mitteilen muss, sofern man sich auf nahegelegenen Feldern des Spielbretts passiert.
Das ist spannend und macht Spaß, denn keine der beiden Spielpartien darf sich zu irgendeinem Zeitpunkt zu sicher sein. Der Sniper ist mobil, kann Truppen durch geschickte Bewegungen ausweichen, Fallen oder falsche Spuren legen, oder einfach eine Gruppe Gegner mit der Flinte umnieten. Der Sniper steht dabei unter Druck: auf einer Zehnerleiste ticken für ihn die Runden herunter. Bei der imaginären Null ist Schluss – das war es dann für den Spezialagenten. Erfüllt er zwischenzeitlich eines seiner beiden Missionsziele, wird der Rundentracker aber neu gestartet und das Spiel beginnt von Neuem, dann aber unter erschwerten Bedingungen. Immerhin können die Soldaten durch Kombinieren erahnen, welche Ziele für den Sniper in Runde zwei übrigbleiben könnten.
Man ahnt es schnell: das Brettspiel zu Sniper Elite ist ein typischen Einer gegen Alle-Konzept. Wobei „Alle“ wahlweise ein bis drei Spieler sein können. Wer keine menschlichen Gegner zur Verfügung hat, kann allerdings auch in einem Solomodus-Spielen, für das löblicherweise ein separates Regelbuch beiliegt. Das Kriegsduell auf dem Brettspieltisch funktioniert jedenfalls, was offensichtlich nicht zuletzt daran liegt, dass der Autor David Thompson auch hinter den Spielen der Undaunted-Serie steckt. Vor allem thematisch kommt das Brettspiel auf den Punkt: Alles sieht nach Weltkrieg aus, der Fokus auf die Mechanik tut dem keinen Abbruch.
Apropos Mechanik: das Brettspiel zu Sniper Elite ist eine deutlich komplexere Hatz als man es auf den ersten Blick vermutet, an Genre-Schwergewichte wie die Whitechapel-Titel reicht Rebellion Unpluggeds Werk aber nicht heran. Sniper Elite ist stattdessen ein Kompromiss aus dem Nutzen der Videospielvorlage als optisch-storytechnischer Anreißer und einem entschlackten Hidden-Moves-Spielprinzip. Es ist für den Sniper ein Rennen gegen die Zeit, denn die Gegner sind unendlich. Also sehr mitreißen lassen sollte man sich als „Lone wolf“ aber nicht, denn ohne Poker-Face geht nichts. Dass ausgerechnet der Sichtschirm dem Brettspiel nicht beiliegt, ist ein Makel. Gut ausgestattete Spielefans können sich behelfen, andere basteln selbst oder nutzen die Spieleschachtel – letzteres ist aufgrund der Größe auf suboptimal. Allenfalls die Augen sollte man als Sniper über das Spielbrett wandern lassen. Notfalls heißt es im aktiven Zug: Einfach aufstehen.
Der Reiz des Unbekannten
Seinen Reiz zieht Sniper Elite: The Board Game aus dem Unbekannten – und zwar auf beiden Seiten. Die Soldaten-Teams sehen den Sniper nicht, müssen antizipieren, wo er sich befindet oder bestenfalls mittels deduktiver Logik treffsicher vorhersagen, wo er sich befindet. Ähnlich gilt es auch umgekehrt: Der Sniper kann das Verhalten der Gegner nicht immer vorhersagen, sollte es aber bestenfalls versuchen, um Züge zu planen – tun sich Lücken auf, muss er sie nutzen.
Einfach ist das schon im Standardspielmodus nicht immer. Mit einigen Anpassungen lässt sich das Spielerlebnis teils deutlich knackiger gestalten, vor allem was den Waffeneinsatz betrifft. Sein Scharfschützengewehr hat der Sniper stets griffbereit und er wird es nutzen. Wie häufig und in aus welcher Entfernung? Das gilt es abzuwägen. Sniper Elite: The Board Game stellt beide Spielparteien stets vor Entscheidungen. Die sind dann relevant, denn bei lediglich zwei Aktionen pro Zug muss man sorgsam umgehen mit seinen Möglichkeiten. Das Raten ins Blaue hinein? Kann funktionieren, allerdings handelt es sich dann meist tatsächlich um Zufallstreffer.
Fehlschläge kommen Soldaten wie Sniper teuer zu stehen: Für den Agenten tickten die Zeit herunter – und auch die Soldaten wissen oft bis zuletzt nicht, ob der Rundentracker aufgrund eines Missionserfolgs zurückgesetzt wird oder nicht. Das sorgt für Spannung und ein intensives Spielerlebnis. Stets geht es um Risiko und Bluffs, aber auch mal um offensichtliche und damit enttarnende Aktionen. Bei letzteren sollte man sich als Sniper den rettenden Fluchtweg bereits zurechtgelegt haben.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4
Alter: ab 16 Jahren
Spielzeit: 45 bis 80 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: gut
Genre: Kennerspiel
Kernmechanismen: Asymmetrische Ziele, versteckte Bewegung, Missionen, Deduktion
Autor: Roger Tankersley, David Thompson
Illustrationen: Jose David Lanza Cebrian, Edouard Grould, Ed Savage
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2022
Sprache: Englisch
Kosten: 60 Euro
Fazit
Karl Fairburne, der tödlichste Scharfschütze in der Geschichte der Videospiele, ist zurück – diesmal allerdings auf dem Spielbrett. Was die Autoren Roger Tankersley und David Thompson, aber auch David Túrczi für die Adaption ausgearbeitet haben, ist Hidden-Movement von Feinsten. Dennoch: Trotz des gut funktionierenden Solomodus spielt Sniper Elite: The Board Game seine Stärken vor allem mit zwei oder vier Spielern aus. Ein Duell ist es unabhängig von der Spielerzahl immer, und zwar ein spannendes. Insgesamt schafft Sniper Elite: The Board Game es, die Idee der Videospiel-Vorlage treffen auf den Spieltisch zu bringen. Der Spielablauf ist spannend und bleibt es über die gesamte Länge der Partie, die mit maximal 80 Minuten moderat ausfällt.
Das Brettspiel rund um den deutsch-amerikanischen Elite-Scharfschützen kommt dabei ohne Schnickschnack aus. Der Spielablauf ist auf den Punkt, bisweilen verliert man sich jedoch etwas in den Details. Dennoch: So viel tatsächlich spürbare Spannung gibt es selten bei einem Brettspiel. Sniper Elite: The Board Game leistet sich dabei kaum Patzer – allenfalls beim Material ist ohne Deluxe-Upgrade zu erahnen, dass es die Tokens für den „Blind bag“ früher oder später zerreißen wird. Abhilfe schafft Rebellion Unpluggeds hauseigenes Luxus-Upgrade für das Brettspiel oder etwas Kreativität. Eigene Pokerchips oder gar farbige Würfel (die Tokens haben Symbole, sind aber farbkodiert) sorgen für deutlich mehr Langlebigkeit. Dass es diesen Kniff überhaupt benötigt, ist ärgerlich, spricht allerdings für das Brettspiel. Es wird bei Fans als einer der derzeit besten Vertreter des Genres häufig auf dem Tisch landen.
Vor Balancing-Problemen muss man sich nicht fürchten. Die Autoren haben diesbezüglich hervorragende Arbeit abgeliefert. Es obliegt den Spielern, ihren persönlichen Stil zu finden und an die Gegebenheiten auf dem Brett anzupassen. Mitunter kommt es daher vor, dass der Einsatz des Scharfschützengewehrs zu oft in den Fokus rückt. Ein bisschen Skirmish-Feeling kann je nach Taktik des Snipers also durchaus spürbar werden. Dem Spaß tut das keinen Abbruch – oft ist sogar das Gegenteil der Fall, denn jeder Kill gibt es Soldaten mindestens Hinweise. Klar ist: die durchschnittliche Partie wird nicht ohne Feindkontakte ablaufen, sodass auch die Soldaten jederzeit eine realistische Chance haben, sich eine gemeinsame Strategie auszudenken. Ob durch Aufdecken oder vage durch Geräusche, der Scharfschützer hinterlässt seine Spuren, die es zu lesen gilt.
Wenn bei dem Grundspiel die Luft raus ist, sorgt die Erweiterung „Eagle’s Nest“ für neue Motivation und neues Material. Miniaturen zwei neue Maps und 40 Karten bietet dann grundsätzlich eine Art Neustart des Spielprinzips, dann allerdings mit einigen neuen Gameplay-Kniffen wie der Kletterausrüstung. Dann gibt es übrigens auch Anknüpfungspunkte mit den Zombie-Spin-Offs der Games-Reihe.
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