Dem Eitorfer Verlag Funtails macht in Sachen Deduktionsspiele so schnell kein anderer Verlag was vor. Neben dem großartigen Feed the Kraken aus dem eigenen Haus und der Lokalisation von Blood on the Clocktower gibt es seit der SPIEL 2024 auch Obscurians. Das Besondere an diesem Spiel ist, dass man die Mitspielenden auch ohne eine einzige Lüge hinters Licht führen kann – man muss eigentlich gar nicht miteinander reden. Wir haben uns auf dem fernen Wüstenplaneten ins Marktgetümmel gestürzt.
Die Spielenden übernehmen die Rolle der namensgebenden Obscurians. Sie sind Händler auf einem zwielichtigen Basar eines entfernten Wüstenplanenten. Alle haben einen eigenen mysteriösen Auftraggeber, der eine spezielle Kombination der auf dem Basar gehandelten Waren besitzen möchte. Handelt man zu offensiv, erkennen die anderen Obscurians, was man vorhat, und werden versuchen diesen Plan zu durchkreuzen. Lässt man sich zu viel Zeit, kann man vom Sandsturm überrascht werden, der dafür sorgt, dass der Basar schließen muss und die Siegpunkte gewertet werden.
Einfacher Würfelmechanismus
In jeder Runde wird zu Beginn eine Rundenkarte aufgedeckt, die in der Regel in irgendeiner Form das Würfelergebnis beeinflusst. Mit diesen Würfeln – genannt Handlanger – für die Spielenden ihre Aktionen nutzen. Man kann Waren, von denen alle mit je 10 in der eigenen Farbe starten, klauen, schenken, tauschen, sichern oder von einem gegnerischen Obscurians zu einem anderen verschieben.
Hat man alle Handlanger gewürfelt, muss man sich für genau eine Aktionsart entscheiden. Diese muss man dann so oft ausführen, wie man sie gewürfelt hat. Gefällt einem das Würfelergebnis nicht, darf man beliebig viele Handlanger neu werfen, wenn man einen Verdachtschips abwirft. Das „normale“ Einsatzgebiet dieser Chips findet sich aber am Anfang des eigenen Zuges. Glaubt man erkannt zu haben, welche Rolle ein Obscurians hat, kann man den entsprechenden Verdachtschip vor diesem Obscurians platzieren.
Nachdem alle einmal am Zug waren, beginnt die nächste Runde. Wer die neue Runde beginnt, wird durch die Wunderlampe bestimmt. Diese zählt auch als Ware und kann wie alle anderen Waren gehandelt werden. Tendenziell ist es besser, weiter hinten in einer Runde am Zug zu sein, da man einfach mehr sieht von den Aktionen der anderen Obscurians.
Sandsturm = Ende
Sobald am Anfang einer Runde die Sandsturmkarte aufgedeckt wird, endet das Spiel sofort. Der Sandsturm ist eine der letzten drei Karten im sieben Karten umfassenden Rundenkartenstapel. Die Person mit der Wunderlampe erhält als Entschädigung für den Startspielernachteil 5 Punkte.
Bei der Auswertung der Verdachtschips wird geschaut, wer die Rollen der anderen Obscurians richtig getippt hat. Egal wie viele Chips vorher gelegt wurden, erhält die Person, die den ersten richtigen Tipp abgegeben hat 10 Punkte, die zweite 5 und die dritte Person noch 2 Punkte. Hat es ein Obscurians geschafft alle anderen zu enttarnen, gibt es 8 Punkte extra. Hat man seine Rolle vor den anderen verschleiern können, erhält man auch 8 Punkte. Nachdem die Punkte für den eigenen Auftrag berechnet wurden, gewinnt (fast immer) der Obscurians mit den meisten Punkten. Sollte die Rolle „Verlier“ die wenigsten Punkte gesammelt haben, gewinnt sie.
Infos zu Obscurians
Personenzahl: 4 bis 6 Personen (7 mit der Deluxeausgabe) Alter: ab 12 Jahren Spielzeit: 30 bis 60 Minuten Schwierigkeit: Kennerspiel Langzeitmotivation: sehr gut Mechaniken: Würfel, Push-your-luck, Deduktion Spielidee: Rocky Bogdanski, Kai Wetzel Illustrationen: Hendrik Noack Verlag: Funtails Offizielle Website: Obscurians Erscheinungsjahr: 2024 Sprache: deutsch/englisch Kosten: 35 Euro (Deluxe 70 Euro) |
Fazit
Obscurians hat etwas geschafft, was ich seit langer Zeit bei keinem Spiel mehr gefühlt habe: es ist anders, neu und nicht wirklich mit anderen Spielen vergleichbar. Die Mischung aus dem super simplen Würfelmechanismus zum Handeln, der Deduktion der anderen Rollen und der Unsicherheit der variablen Spieldauer durch den Sandsturm haben absolutes Suchtpotential.
Die sechs Rollen sind toll abgestimmt. Es gibt keine Rolle, die nicht auch wie mindestens eine der anderen Rollen gespielt werden kann, um die anderen Obscurians auf eine falsche Fährte zu locken. Man muss aber immer den Sandsturm im Hinterkopf behalten, da man sonst nach der vielleicht schon letzten vierten Runde schlecht da stehen kann.
Besonders ist insgesamt die Rolle „Verlier“, da hier eigentlich alles anders ist. Durch die drei kleinen Unteraufträge will diese Rolle die eigene Punktzahl senken, um am Spielende die wenigsten Punkte zu haben. Bonuspunkte für „Meister der Tarnung“ oder die Wunderlampe stören hierbei nur. Man versucht vor allem dafür zu sorgen, dass die anderen Obscurians für ihre Rolle viele Punkte holen, damit es leichter wird, die wenigsten Punkte zu haben.
Die Verdachtschips funktionieren in ihrer Doppelfunktion sehr gut. Die Punkte für richtige Verdächtigungen sind wichtig, aber die fehlenden Optionen durch sehr schlechte Handlanger können es lohnend machen auf eine Verdächtigung zu verzichten.
Bei den Verdächtigungen hat man viele Möglichkeiten, die anderen Obscurians zu verwirren und zu täuschen.
Das tolle spielerische Gefühl kommt dabei ohne großes Regelwerk daher und ist auch Gelegenheitsspielern innerhalb weniger Minuten erklärt. Die Anleitung ist typisch für Funtails auf das Minimum gekürzt, ohne dadurch die Verständlichkeit in Mitleidenschaft zu ziehen.
Das Spiel läuft super schnell ab. Große Downtime gibt es nicht und selbst wenn die anderen etwas länger grübeln über ihre Handlanger, kann man daraus einige Informationen ziehen. Mit vier Personen empfanden wir es in den Partien immer etwas schwieriger die Rollen der anderen zu erkennen, da man nie weiß, welche zwei Rollen gerade aus dem Spiel sind. Die anderen zu enttarnen war da bei Vollbesetzung etwas leichter, auch wenn das generelle Chaos durch mehr Aktionen zwischen den eigenen Zügen zugenommen hat.
Das Material in der Basisedition ist solide; die Deluxeedition mit den Pokerchips und macht aber nochmal deutlich mehr her. Hier würde ich den Mehrpreis auf jeden Fall in Kauf nehmen, da beim Handeln der Waren das Haptische einen sehr positiven Einfluss hat. Optisch ist das Spiel egal in welcher Version eine Wucht.
Obscurians ist die Art von Spiel, von der es einfach zu wenig gibt. Ein Spiel, das wirklich „anders“ ist und ein ganz eigenes Spielgefühl mitbringt. Dabei kommen der Spielspaß und die Abwechslung zu keinem Zeitpunkt zu kurz und es bleibt dabei so zugänglich, dass man auch schon unter der Altersempfehlung mithandeln kann. Ich würde dem Spiel wünschen, dass es bei der diesjährigen Spiel-des-Jahres-Nominierung berücksichtigt wird.
Eternitium*
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