Beispiele für Brettportierungen auf elektronische Medien gibt es viele. Die bekanntesten Vertreter dürften unter anderem Siedler von Catan, Carcassonne oder auch Monopoly sein. Und in der Tat bieten die modernen Touch-Systeme sich für die Umsetzung von Gesellschaftsspielen an. Monopoly gab es seinerzeit schon auf dem Commodore 64, doch erst durch die eingängige Berührungssteuerung wurde auch den Exoten ein boomendes Spielsegment.
Solo-Gesellschaft
Die Weltmeisterschaften fehlen ebenso wenig wie die Platzierungen bei den Europameisterschaften oder das Maskottchen. Besonders gelungen sind die Spielfiguren, die beispielsweise als Fußballschuh, Ball, Tor oder Pfeife designet wurden und somit perfekt in das Spielszenario passen. Die Bebilderung des Spielbretts ist stets passend und von auffällig hoher Qualität. Das Spielprinzip bleibt aber unangetastet, sodass Monopoly-Fans voll auf ihre Kosten kommen. Und bei den jüngsten Korruptionsskandalen der Fußballwelt dürfte es doch auch für Fans kaum ein passenderes Brettspiel geben.
Ich muss schmunzeln, wenn ich von „den besten Brettspielen für das Tablet“ oder „den spannendsten Gesellschaftsspielen für das Smartphone“ lesen, denn wirklich viel Gesellschaft hat der Tablet-Spieler ja nicht. Ignoriert man das simulierte Sozialverhalten des Computer-Gegners sitzt der Spieler gänzlich allein vor seiner Mattscheibe. Und so wird selbst aus dem besten Gesellschaftsspiel auf dem Tablet ein simples Computerprogramm.
Dabei ist die stetig fortschreitende Digitalisierung von Gesellschaftsspielen keine gute Entwicklung. Immerhin sind Brettspiele schon so alt wie Menschheit selbst und standen seit jeher für gemeinsame Unterhaltung, soziale Interaktion und direkte Kommunikation. Archäologische Funde belegen, dass erste Brettspiele bereits im Jahre 2600 v. Chr. verbreitet waren. Das Königliche Spiel von Ur setzte auf eine Mischung aus Würfelabenteuer und strategischem Ziehspiel. Allerdings war früher ein Element wesentlich, das in der modernen Zeit immer mehr in den Hintergrund rückt: Der menschliche Mitspieler. Es sind genau diese menschlichen Mitspieler, die den Brettspielen, durch ihre geäußerten Emotionen, Tiefe und WIederspielwert verleihen. In jeder neuen Runde liegen Freude, Schadenfreude und Ärger nah beieinander. Computer-Gegner sind auch heutzutage nicht im Stande diese Verhalten auch nur annähernd athentisch zu vermitteln. Gute Spielzüge werden mit nebensächlichen Textmitteilungen kommentiert oder mit eingesprochenen Dialogen untermalt.
Viele Tablet oder Smartphone-Spiele können natürlich auch mit mehreren Personen gespielt werden, aber warum dann nicht sofort zum klassischen Brettspiel greifen, das nicht zuletzt durch detailreiche Spielfiguren und somit eine ganz besondere Haptik glänzt? Der Mehsch fasst gern an, er fühlt und reagiert mit all seinen Sinnen auf das gespielte Brettspiel. Bloßes Wischen über eine Glasoberfläche ist dagegen wenig stimulierend. Schon die abendliche Spielatmosphäre leidet, wenn sich 6 4 Leute an einem riesenhaften Tisch mit krummen Rücken über einen 10 Zoll kleinen Tablet-Bildschirm beugen. Kommunikation beschränkt sich dann auf einfache Fragen der Sorte: „Kannst du mir kurz vorlesen was dort steht? Ich kanns von hier aus nicht erkennen.“
Für Einsteiger sind digitale Spielversionen ideal, denn die Spielregeln werden anschaulich und gut verständlich präsentiert. Schnelles Losspielen ist also garantiert. Veteranen sind dagegen hoffnungslos unterfordert, denn die Vorbereitung auf ein neues Brettspiel gehört unstreitig zu einem runden Spielerlebnis – in illustrer Runde wird das gemeinsame Erarbeiten des Regelwerks zu einem unvergesslichen Erlebnis. Und so empfehle ich auch Brettspiel-Neulingen einfach mal das Smartphone aus der Hand zu legen und sich in die staubige Welt der Brettspiele zu begeben. Mystische Wesen, kluge taktische Entscheidungen und jede Menge Glücksmomente warten auf euch tapfere Recken. Und ihr brecht zugleich die Lanze für eine ganze Gruppe von Spielern, die weg vom Wischbrett und hin zum Brettspiel wollen.