Der Oktober ist nicht nur die Zeit der internationalen Spieltage Spiel, sondern auch die der Herbststimmung und des Gruselns. Mit immer längeren Phasen von Dunkelheit und grauen Wolken, beginnt die perfekte Jahreszeit für einen Spieleabend. Alleine oder als Gruppe, das analoge Escape-Game mit interaktiven Elementen für Erwachsene „Escape Tales – Children of Wyrmwood“ soll für spannende Unterhaltung sorgen. Klingt perfekt für lange Herbstabende oder als Halloweenspiel. Ob das ursprünglich im Verlag Board & Dice erschienene Spiel, das als deutschsprachige Lokalisierung unter der Marke Grimspire von Happy Shops, per Crowdfunding in der Spieleschmiede, herauskam, hält was es verspricht? Lest selbst.
Escape Games sind und bleiben Trend. Sei es als Rätsel-Abenteuer bei einem der vielen Anbieter vor Ort oder online, als Horrorfilm und als Video- oder Brettspiele. Mit dem solo oder kooperativ spielbaren Escape Tales – Children of Wyrmwood, von dem Autoren-Duo Jakub Caban und Bartosz Idzikowski, ist bereits der dritte Titel der Escape Tales Reihe erschienen. Nicht ohne Grund. So sorgten bereits die beiden Vorgänger Rätselspiele Escape Tales – Low-Memory (2020) und Escape Tales – The Awakening (2019) für mitreißende Spannung am Spieltisch und positive Resonanz unter den Spielern. Ein Unterschied zu den Vorgängern: Die App kommt bei der neuen Auskopplung deutlicher zum Tragen.
Beide Vorgängertitel sind, in der deutschsprachigen Übersetzung, beim Verlag Kosmos erschienen. Jeder der Titel ist eigenständig spielbar und benötigt kein Vorwissen. Bei dem neuen Gruselspiel Children of Wyrmwood handelt es sich um ein analoges Escape Game für erwachsene Spieler ab 16 Jahren. Für den Spielspaß wird nur die Grundversion und ein Smartphone oder ein Computer benötigt sowie ein einmaliger Zugang ins Internet. Sind die Daten auf der Webseite geladen worden, kann das Spiel völlig ohne die weitere Nutzung eines Internetzugangs gespielt werden. Gespielt wird im Solospiel oder gemeinsam mit bis zu vier Mitspielern.
Children of Wyrmwood: Düsteres Rätselraten
In finsterer Aufmachung kommt Children of Wyrmwood daher. Das kommt gut an und spiegelt das schaurige Grundthema wider. Denn die Geschichte des Escape Games entführt seine Spieler in eine schaurige Kleinstadt. Umgeben von einem düsteren Wald, scheint hier jeder Bewohner in Gefahr zu sein. Grund dafür könnten bedrohliche Wyrmwurzeln sein, die schon auf ihre nächsten Opfer lauern. Einem jungen Mann wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So liegt nichts weniger als das Schicksal des nicht gerade beliebten Stadtbewohners Gilbert in den Händen der Spieler. Doch ganz so einfach gestaltet sich diese Aufgabe nicht, denn sein Überleben hängt an so manch kniffeliger Aufgabe. Als wäre all das nicht schon genug, scheint ausgerechnet der Vater seiner Geliebten ein entsetzliches Spiel zu spielen. Erzählt wird die schaurige Geschichte per Story-Bücher und Landkarte. Hier sei besonders zu erwähnen, dass sich die Handlung mit den Entscheidungen der Spieler verändert und zu unterschiedlichen Endungen führt. Das Regelwerk umfasst insgesamt acht übersichtlich gestaltete Seiten und ist somit zügig durchgearbeitet, um ohne Umschweifen einen Einstieg in das Rätselspiel zu finden.
Escape Tales – Children of Wyrmwood bietet dabei nicht einfach ein Mehr der genrebekannte Elemente, sondern geht zum Teil durchaus neue Wege. Wahlmöglichkeiten und verschiedene Ansätze, um Rtäsel erfolgreich lösen zu können, sind zwei der offensichtlichsten Unterschiede zu vielen der inzwischen zu Standardkost gewordenen Escape-Titel. Nicht immer gehen diese Innovationen auch in einem spielerischen Mehrwert auf, tun sie es allerdings, so profitiert das Spielerlebnis davon deutlich. Statt einer Geschichte unter bloßer Rätsellöserei zu folgen, wartet Escape Tales – Children of Wyrmwood tatsächlich mit Spielmechanismen auf. Rätselaufgaben sind dennoch reichlich vorhanden, von unterschiedlicher Schwierigkeit – immer jedoch fair. Mitunter sind die Aufgabe echte Kopfnüsse, die man nicht nebenher wegarbeiten kann, sondern unter Einsatz von Hirnschmalz angehen muss.
Seine Stärken spielt Escape Tales – Children of Wyrmwood konzeptionell als Kombination als Rätselspiel mit starkem Rollenspieleinschlag aus. Insbesondere die Charakterprogression gefällt – auf zwei Ebenen: spielerisch und storytechnisch.
Grundsätzlich spielt sich Children of Wyrmwood in einem einfachen nur zweischrittigen Ablauf: (1) Ein Kapitel wählen: In dieser Phase suchen die Spieler das passende Kapitel der Geschichte aus dem Story-Buch heraus. Dabei ist es wichtig eine genau vorgegebene Reihenfolge einzuhalten. Zur Wahl stehen dabei der Prolog und das erste Kapitel aus dem Story-Buch1, Das zweite Kapitel aus dem Story-Buch2 und der Epilog aus dem Story-Buch 3. Anschließend lesen die Spieler den entsprechenden Abschnitt des und befolgen alle vorgegebenen Anweisungen. (2) Aktionen werden dabei so lange ausgeführt, bis das Spiel dazu auffordert, erneut aus dem Story-Buch vorzulesen. Zur Wahl stehen das Raum erkunden, das Ausruhen oder Verausgaben, ein Rätsel lösen oder das Karte kombinieren. Besonders kompliziert klingt dieser Ablauf nicht. Und tatsächlich ist die einfach gehaltene Anleitung gelesen, kann Children of Wyrmwood ohne weiterer Erklärungen gespielt werden. Sollte es zu Unsicherheiten im Spielverlauf kommen, helfen die beiliegenden Spielhilfen weiter. Besonders ausgeklügelt ist das Hinweissystem allerdings nicht und bei diesem Escape-Spiel auch einer der Kritikpunkte. Dennoch: Die Einsteigerfreundlichkeit bleibt insgesamt eine Stärke, die alle Spiele der Escape-Tales Reihe verbindet: Es bedarf nur wenig Vorbereitungen, um gemeinsam in einen rätselhaften Spieleabend zu starten.
Für das schaurig wirkende Artwork sind die Illustratoren Jakub Fajtanowski und Aleksander Zawada verantwortlich, die die Bereiche der Escape-Rooms mit düster-bunten Zeichnungen gefüllt haben, die den Spielern optisch die passende Stimmung transportieren.
Das Spielmaterial von Children of Wyrmwood ist hochwertig gearbeitet und enthält: 36 Aktionsscheiben, 187 Entdeckungskarten, 8 Ausruhenkarten, 8 Verausgabungskarten, 16 Raumkarten, 1 Landkarte, 4 Spielhilfen und 1 Anleitung. Die 3 Story-Bücher komplettiert das Material als Herz des Rätselspiels, welche sich gestalterisch in die Gruselthematik einfügen, obgleich sie eher nüchtern und übersichtlich gehalten sind.
Artwork mit Gänsehaut-Flair
Nach dem schnellen Regeln pauken, kann das schaurige Rätselraten, um das Schicksal des Protagonisten, beginnen: Zu Beginn werden drei Kartenstapel ausgelegt, bestehend aus Entdeckungskarten, Ausruhen- und Verausgabungskarten sowie Raumkarten (Räume können tatsächliche Räume, aber auch Orte sein). Daneben werden die Aktionsscheiben bereitgelegt und die Escape Tales Webseite wird geöffnet. Nun liest der Vorleser der Runde den Prolog und anschließend die Einleitung des ersten Kapitels aus dem Story-Buch vor. In diesem Abschnitt erfahren die Spieler, wie ihr Escape-Abenteuer beginnt. Der entsprechende Paragraf verrät, welchen Anweisungen danach gefolgt werden muss oder er enthält wichtige Hinweise für den Spielverlauf. Der entsprechende Hinweis zum gesuchten Paragrafen befindet sich immer am Ende jeder Einleitung. Diese leiten durch das Spielgeschehen und folgen in ihrer Anordnung keiner Reihenfolge, so dass unbedingt die gesuchte Nummerierung beachtet werden muss.
Paragrafen enthalten also eine Nummerierung, einen Ereignistext, der Hinweise und Informationen zu Rätseln oder der Story enthalten kann, sowie häufig auch Anweisungen. Darüber hinaus verleihen sie dem Spiel eine Atmosphäre, die Spielern sonst vorzugsweise durch Fantasy-Abenteuer-Büchern zuteil wird. Geben weder App noch Story-Buch eine Aktion vor, so können die Spieler frei entscheiden, was sie zur Lösung des Rätsels unternehmen. Zur Lösung, benötigen die Spieler eine bestimmte, gesammelte Anzahl und Reihenfolge von Karten. Ebenfalls können mittels der Karten Gilberts Charakterwerte verändert werden.
Gelöst werden die Rätsel anschließend mittels App, die auch eine Hilfestellung bietet, falls die Spieler ratlos sind. Diese sind gestaffelt und führen bis zur endgültigen Lösung des aktuellen Rätsels, ohne dass Konsequenzen auf die Spieler warten. Bemerkenswert ist bei Children of Wyrmwood, dass die Rätsel zwar in ihrer Schwierigkeit variieren, keinesfalls aber als kinderleicht zu bezeichnen wären. Gleichzeitig überzeugt das Escape-Spiel mit seinem einfachen Regelwerk, samt nachvollziehbarer und trotzdem variabler Spielhandlungen. Während des gesamten Spiels erfolgen die Spielzüge kooperativ und durch Absprachen. Das Spiel gibt nur die Rahmenbedingungen vor. Im ersten Kapitel werden die Spieler in das Abenteuer geführt. Sie lernen die Spielmechaniken, Gilbert, für dessen Schicksal sie die Verantwortung tragen, das Dorf und düstere Hintergründe kennen.
Gilberts Schicksal liegt in euren Händen
Wer jetzt ein Adventure im Stil eines klassischen Rätselbuchs erwartet, der wird mit Children of Wyrmwood nicht das erwartete Escape-Spiel erhalten. Dafür haben getroffene Entscheidungen zu wenig Konsequenzen, vielmehr begleitet einen das Spiel durch eine düstere Story, die, je nach Entscheidung der Spieler, auf unterschiedliche Arten endet. Derjenige, der auf der Suche nach einem leicht verständlichen, kniffeligem Rätsel-Brettspiel mit Einflüssen eines „Choose Your Own“-Adventures ist, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit Spaß an den Escape-Rooms rund um eine verfluchte Stadt haben. Ob man nun nur Erwachsene ab 16 Jahren oder auch ältere Kinder ansprechen könnte, ist letztendlich eine Frage, die sich jeder Spieler selbst stellen muss.
Wir sind nach unserer Partie der Meinung, dass auch etwas jüngere Altersgruppen, als laut Einschätzung angegeben, mit dem Inhalt zurechtkommen. Eventuell bedarf es dazu allerdings einem vorbereitenden Gespräch. Auch hierbei würde sich der einfache Ablauf wieder positiv bemerkbar machen: Weil sich in den einzelnen Kapiteln der Story das Vorhergehen immer in ähnlicher Weise wiederholt, wird der Ablauf auch für ältere Kinder, nach einer Anlernphase, gut nachvollziehbar.
Für einige Spieler könnten die fehlenden einschneidenden Konsequenzen, die sich fast nur in der storytechnisch variablen Endphase des Spiels zeigen, jedoch ein Nachteil sein. Die Regeln sind dabei schnell verstanden und es spielt sich ebenso zügig flüssig. So kann Children of Wyrmwood mit seiner langen Spieldauer von 450+ Minuten für andauernden, Kooperativen- oder Solo-Rätselspaß sorgen und gehört damit zu einem Spiel, dass nur auf den Tisch kommen sollte, wenn die Spieler zu eben diesem Abenteuer bereit sind. Auch ungeübten Rätselliebhabern gelingt mit zusätzlicher Hilfe der Spielerhilfen der Einstieg binnen kurzer Zeit.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4
Alter: ab 16 Jahren
Spielzeit: etwa 450+ Minuten
Schwierigkeit: einfach bis schwer
Langzeitmotivation: mittel
Genre: Rätselspiel
Untergenre: Escape-Spiele
Kernmechanismen: Rätsel lösen, Rollenspiel
Autoren: Jakub Caban und Bartosz Idzikowski
Illustrationen: Jakub Fajtanowski und Aleksander Zawada
Verlag: Grim Spire / Happy Shops
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2020/2021
Sprache: deutsch
Kosten: 30 Euro
Fazit
Escape Tales – Children of Wyrmwood spricht in dem Zusammenspiel seines leichten Regelwerks, der spannenden Thematik und des teilweise sehr kniffeligen Rätselmechanismus Spieler und Rätselliebhaber gleichermaßen an. Die Grundstory des Escape-Spiels könnte grundsätzlich austauschbar sein und beispielsweise von einem Abenteuer in einem quietschbunten Märchenwald handeln. Dennoch macht das mystische Setting Spaß und bringt eine Mischung aus fantastischem Schauder und lustigen Elementen auf den Spieltisch. Children of Wyrmwood ist sehr schnell erlernt und Mitspielern einfach erklärt, trotzdem kann man so manches komplexes Rätsel erwarten. Einziger Wermutstropfen: So richtige Konsequenzen erwarten die Spieler nicht.
Natürlich ist es reizvoll, dass sich das Ende des Spiels, je nach Entscheidungen der Spieler, verändert. Doch von einem Gruselspiel für Erwachsene würde ich erwarten, dass falsche Entscheidungen und Lösungen negative Folgen nach sich ziehen. Besonders auffällig wird dies, wenn die Spieler Hilfe beim Lösen der Rätsel in Anspruch nehmen. Nach mehreren Hilfestellungen, kann das Rätsel gelöst werden. Nachteile hat dieses Vorgehen für die Spieler nicht. Jedoch schafft Children of Wyrmwood eine tolle Atmosphäre und die Rätsel bringen Spaß und das eine oder anderen verzweifelte Aufstöhnen mit sich. Auch optisch kann sich das Escape-Spiel im gruseligen Gewandt sehen lassen. Die App funktioniert hervorragend und ist gut in das Spiel eingebettet worden. Das ist ein deutlicher Pluspunkt.
Der Titel kann solo oder mit bis zu vier Mitspielern gleichermaßen gut gespielt werden, da auch in der Gruppe alle Entscheidungen gemeinsam gefällt werden. Vorerfahrungen werden für das Brettspiel nicht benötigt, lediglich ein wenig Einarbeitung und zu Beginn die Nutzung der Spielerhilfen, um den Spielfluss zu gewähren. Es ist einfach: Wer die übrigen Teile der Escape-Tales-Reihe gespielt und für gut befunden hat, muss diesen neuen Teil spiele – es ist der beste der Serie. Und alle anderen? Erhalten ein hochkarätiges Denk- und Rätselspiel, das sich hinter Genre-Konkurrenten nicht verstecken muss, im Gegenteil sogar. Children of Wyrmwood bringt ein wenig frischen Wind ins angestaubte und fast schon beliebig gewordene Segment.
Vorschau | Produkt | Bewertung | Preis | |
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