Die SPIEL’16 liegt rund drei Wochen zurück und viele Brettspielfans sind mit vollen Einkaufstaschen nach Hause zurückgekehrt. Bei dem einen oder anderen Spieler ist möglicherweise auch das kooperative Kartenspiel Tierisch bedroht vom Mogel Verlag in die Tüte gewandert. Wer auf der Messe in Essen nicht zugegriffen hat oder den Titel bisher gar nicht kennt, sollte die nachfolgende Rezension aufmerksam lesen. Wir haben uns für euch auf eine Tierexpedition rund um die Welt begeben, sind gefährlichen Raubtieren ebenso begegnet wie vermeintlich behäbigen Savannenbewohnern, sind hinabgetaucht in die Untiefen der Ozeane und haben die Könige der Lüfte beobachtet. Und das alles ohne auch nur einen Schritt vor die Tür zu setzen. Viel Spaß mit der Rezension zum kooperativen Kartenspiel Tierisch bedroht vom Mogel Verlag.
Unterhaltung vor ernstem Hintergrund
Das Kartenspiel Tierisch bedroht ist das dritte Spiel des noch jungen Familienverlags und bereits an dieser Stelle sei verraten, dass es auch das beste der bisher erschienenen Spiele ist. Wer bisher noch nie vom Mogel Verlag gehört hat, bekommt in diesem Interview von der SPIEL’16 einen Eindruck von der spielbegeisterten Familien Loth aus dem Emsland. Wer die Kartenspiele Perlentauchen (Rezension zu Perlentauchen) und Willi Wörterwurm (Rezension zu Willi Wörterwurm) kennt, dem wird sofort auffallen, dass die Optik von Tierisch bedroht sich deutlich unterscheidet. Folgt man der Argumentation von Michael Loth, so ist das kein Zufall, sondern ein bewusst gewähltes Designelement. Die Illustrationen von Tierisch bedroht wirken reifer – fast so, als würde man den ernsten Hintergrund des kooperativen Kartenspiels deutlich machen wollen.
Und tatsächlich empfiehlt der Mogel Verlag ein Einstiegsalter von 10 Jahren, um das Spiel Tierisch bedroht umfassend zu erleben. Die Spielmechanik selbst ist jedoch auch von deutlich jüngeren Spielern erfassbar, sodass sich auch dieses Kartenspiel hervorragend als Familientitel eignet. Ab ca. 6 bis 8 Jahren können sich Kinder problemlos mit Tierisch bedroht beschäftigen, benötigen jedoch in den Planungsphasen etwas Unterstützung von Erwachsenen, damit die kooperative Mechanik sowie der „Solo-Part“ auf die Weise ineinander greifen können, die Michael Loth sich bei der Konzeption des Spiels erdacht hat. Das Setting des Kartenspiels für 2 bis 4 Spieler ist ernst. Bedrohte Tiere sollen gerettet werden, wobei erfolgreiche Versuche Punkte auf das gemeinsame Spielerkonto wandern lassen, fehlgeschlagene Rettungsmaßnahmen dagegen am Ende des Spiels mit Punktabzügen bestraft werden. Schon die Anleitung macht deutlich: Tierschutz ist Teamwork!
Optisch reizvoll, spielerisch seicht
Rein optisch ist Tierisch bedroht ein reizvolles Kartenspiel. Die Rückseiten der insgesamt 54 Tierkarten sind mit schlichten, aber stimmigen Aquarellen bedruckt – kein Vergleich zu den eher unspektakulären Abbildungen auf den Karten der Vorgängertitel. Besonders gelungen sind die Zeichnungen der Tiere. Da kein Tier doppelt auftaucht bedeuten 54 Tierkarten gleichzeitig 54 Tierbilder, die man als Spieler nach dem Auspacken gern durchblättert. Auf alte Bekannte wie den Löwen oder Geparden trifft man ebenso wie auf exotische Vertreter, etwa einen Madagaskar-Schlangenhabicht oder den Kurzkamm-Leguan. Dass dem Spieler bei all der tierischen Prominenz plötzlich ein ordinärer Kabeljau entgegen lächelt, ist fast schon überraschend, angesichts der überfischten Gewässer jedoch erschreckend real.
Neben den Tierkarten liegen Tierisch bedroht* zudem 3 Spendenkarten, 2 Statuskarten, 1 Kompasskarte sowie die 8 zentralen Strategiekarten bei. Nach dem Spielaufbau, der nach wenigen Handgriffen erledigt ist, erhält jeder Mitspieler abhängig von der Spielerzahl seine Handkarten, mit denen er im Spielverlauf die Rettungsaktionen durchführt. Gerettet werden können stets nur Tiere gleicher Farbe: mit den grünen Dschungelkarten rettet ihr also Landtiere, mit den blauen Karten Wasserbewohner und mit den gelben Karten die bedrohten Flieger. Ein Tier gilt als gerettet, wenn die von den Spielern ausgelegten mindestens die Anzahl der Lebensraum- und Geldsymbole der Tierauslage treffen. Während der Gepard mit nur einem Geldsymbol einfach zu retten ist, wird die Mission bei einem Golftümmler (3/3) um ein Vielfacher aufwändiger, nicht unbedingt schwieriger, da auf die Zusammensetzung der Handkarten nur bedingt eingewirkt werden kann.
Die strategische Komponente des kooperativen Kartenspiels besteht zunächst aus Entscheidung über die in der aktiven Runde verfügbaren Handkarten. Nachdem die bedrohten Tiere verdeckt ausgelegt wurden, können die Spieler gemeinsam über die Verwendung einer der 8 Strategiekarten entscheiden. Die Aktionen sind mal mehr, mal weniger sinnvoll – in seltenen Fällen leider auch eher trivial und dann mehr eine Formalität als ein beeinflussendes Spielelement. Nach der Anwendung der ausgewählten Strategiekarte ist weitere Kommunikation untersagt, sodass jeder Spieler zwar kooperativ aber selbstbestimmt handelt. Dieser spielerische Kniff ist gelungen und sorgt für so manchen Überraschungsmoment. Zwar kann man stets erahnen, was die Mitspieler planen, ob der Plan jedoch aufgeht und die vorhandenen Symbole für die Rettung aller Tiere reichen, bleibt ungewiss und damit spannend. Beeinflusst werden können die Rettungsmissionen zudem durch drei Spendenkarten, die einen Bonus auf eines der Symbole gewähren. Da die Spenden jeweils nur einmal einsetzbar sind, müssen die Spieler auch hier abwägen, wann sich der Einsatz lohnt.
Expedition ohne Kompass
Gerettete Tiere und auch Lebewesen, die die Spieler nicht retten konnten, werden jeweils einem der Statusstapel zugeordnet (rote und blaue Weltkarte) und gewähren Punkte oder Strafen bei der Schlusswertung. Je schwieriger die Tiere zu retten sind, je mehr Symbole also benötigt werden, desto höher ist auch die Punktzahl. Das sorgt für zusätzliche taktische Anreize, sodass Spieler stets anhand der verbleibenden Handkarten abwägen müssen, ob es lohnenswert sein könnte, einen der „dicken Brummer“ zu retten oder eher auf Sicherheit zu spielen. Je häufiger man Tierisch bedroht spielt, desto selbstverständlicher wird das Zusammenspiel mit den übrigen Tierschützern. Und wer sich die Tiere auf den Statusstapeln merkt, weiß, dass mit fortschreitendem Spielverlauf möglicherweise noch punkteträchtige Tiere im Nachziehstapel warten. In diesen Fällen kann es taktisch durchaus sinnvoll sein, die Kartenhand danach auszurichten. Die Kompasskarte zeigt stets den Spieler an, der die jeweilige Runde beginnt. Bei maximal vier Spielern geht die Übersicht jedoch selten verloren, sodass das Herumreichen des Kompasses aus Gründen der Spielstraffung gern vermieden wird. Für alle, die eine solche Visualisierung benötigen ist die Kompasskarte jedoch ein nettes Gimmick.
Das Spiel endet mit der Runde, in der die letzte Strategiekarte angewandt wurde. Diese Mechanik ist wunderbar, denn sie macht aus Tierisch bedroht ein zeitlich planbares Kartenspiel. Nach acht Spielrunde ist Schluss und die Gesamtpunktzahl wird anhand der Punktwerte der Tierkarten ausgewertet. Wie bereits von Willi Wörterwurm bekannt, gibt die Spielanleitung Aufschluss über die gemeinsame Leistung der Spieler.
Bilder zu Tierisch bedroht
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 10 bis 45 Minuten
Schwierigkeit: leicht
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Mogel Verlag
Erscheinungsjahr: 2016
Autoren: Michael Loth
Sprache: deutsch
Kosten: 10 Euro
Fazit
War bei Perlentauchen und Willi Wörterwurm die Zielgruppe entscheidend für eine faire Bewertung, so kann man Tierisch bedroht problemlos als Kartenspiel für jedermann bewerten. Dabei schneidet das dritte Spiel vom Mogel Verlag gut ab. Die Karten sind liebevoll gestaltet und als Spieler spürt man, welche Arbeit sich hinter der Entwicklung eines Gesellschaftsspiels verbergen kann. Obwohl hohe Punktewertungen nicht leicht zu erreichen sind, ist der Spieleinstieg einfach. Die grundlegenden Regeln sind auch für Kindern schnell zu erfassen, sodass sich Tierisch bedroht in die Reihe der gelungenen Familienspiele einreiht. Die Spielmechanik der Strategiekarten ist Fluch und Segen zugleich: manchmal sorgt die verbleibende Auswahl für Spannung, etwa wenn eine gute Auslage ausgetauscht werden muss. In anderen Fällen verpufft der Effekt der Strategiekarten, sodass die Spielhandlung zu einer reinen Formalität wird.
Die grundlegende Siegbedingung, zwei Symbole in einer bestimmten Anzahl zu treffen, sorgt bei erfahrenen Strategen nur für kleine Freudentänze. Vielspielern wird bei Tierisch bedroht langfristig die Herausforderung fehlen, auch wenn es durchaus motivierend ist, die eigene Punktzahl in einer weiteren Partie zu verbessern. Dennoch weiß das kooperative Kartenspiel ob seiner Einfachheit zu überzeugen. Die Spielpartien sind oft spannend und kurzweilig, Freude und Ärgern wechseln sich mit den nicht immer vorhersehbaren Handlungen der Mitspieler ab. Diese kleinen emotionalen Momente tun dem Spielablauf spürbar gut, sodass das einfache Grundgerüst oft in Vergessenheit gerät.
Am Beispiel des Kartenspiels Tierisch bedroht zeigt sich: Spiele müssen nicht kompliziert sein, um zu unterhalten.