Kartenspiele für den Massenmarkt werden in großen Hightech-Produktionsstätten hergestellt. In einem spielerischen Paralleluniversum existieren zudem Kartenspiele, die eher eine Nische bedienen. Andreas Mettler ist einer dieser Lonesome Cowboys unter den Spieleerfindern, die ihre Titel abseits der großen Verlage in Eigenregie veröffentlichen – und sogar produzieren.
Im Gespräch offenbart der Spieleerfinder aus dem Sauerland, was den Reiz von Kartenspielen selbst in einer hochtechnisierten Welt ausmacht und warum man am Trendthema Brettspiele einfach vorbeidenken darf.
Brilon als „Gallisches Dorf“ der Kartenspiele
Die Gesichte der Kartenspielmanufaktur von Andreas Mettler hat fast etwas rebellisches, das Spieler an die politischen Gegebenheiten eines Asterix-Comics erinnern lässt. Statt eines gallischen Dorfes steht die sauerländische Stadt Brilon mit immerhin stolzen 26.000 Einwohnern im Mittelpunkt. Und statt des Römischen Imperiums, nimmt Andreas Mettler es mit den großen deutschen Verlagen auf – oder vermeidet Gefechte im offenen Gelände ganz bewusst, in dem er mit seinen Kartenspielen eine Nische bedient. Es kommt dabei auf die Sichtweise an.
Für einen durchschnittlich kreativen Spieleautor ist es nicht leicht, ein Konzept vom Reißbrett zum fertigen Gesellschaftsspiel zu bringen. Selbst gute Ideen scheitern nicht selten auf Verlagsebene, weil Verkaufserfolge sich nicht mit ausreichenden Wahrscheinlichkeiten vorhersagen lassen, um hohe Produktionskosten einzuspielen. Vielversprechende Konzepte bleiben dann in den Schubladen der Spieleautoren liegen, bis die Erfindung ein Thema bedient, das im Trend liegt.
Wer mutig genug ist (und auch mögliche Misserfolge nicht scheut), geht seinen eigenen, von Verlagen unabhängigen Weg, um Gesellschaftsspiele selbst zu produzieren. Andreas Mettler, Spielerfinder aus Brilon, hat diesen Schritt gewagt.
Kartenspiele selbst herstellen: Klasse statt Masse?
Bevor Andreas Mettler sich als Autor von Kartenspielen betätigte, standen digitale Spielkonzepte im Fokus seiner Interessen. Erste eigene Ideen entwickelte er schon früh – damals auf dem Computer Commodore 64. Ausflüge in das Segment der Browsergames folgten mit Verbreitung der Internetanschlüsse. Und weil Andreas Mettler neben seinen spielerischen Projekten ein bodenständiges Studium zum Sozial-Pädagogen (FH) abschloss, standen Lernkonzepte für Kinder im Fokus. Bei all den Projekten im Bereich der digitalen Spielideen wirkt es fast wie ein Zufall, dass Andreas Mettler den Weg zu herkömmlichen Kartenspielen fand.
Und doch sind die Parallelen stets erkennbar: es geht stets um Unterhaltung für eine vergleichsweise eng umgrenzte Gruppe von Spielern. Statt auf Massenware zu setzen, verfolgt Mettler eigenen Weg. Den hohen Arbeitsaufwand für die Produktion von Kartenspielen nimmt er dafür gern in Kauf. In Eigenregie Spezialpapier zu bedrucken, um dieses anschließend zu veredeln und auszustanzen, hält er für verrückt – und doch tatsächlich machbar.
Kartenspiele, die in seiner Manufaktur entstehen, entstehen für eine Nische. Eine Daseinsberechtigung haben sie aber trotzdem – vielleicht sogar genau deswegen. Ein unschätzbarer Vorteil ist nicht von der Hand zuweisen: kleine Auflagen ermöglichen Spieleautoren, zeitnah Verbesserungen umzusetzen. Das kommt nicht nur dem Spiel, sondern auch den Spielern zugute. Jedes einzelne Produkt aus der Kartenspiel-Manufaktur ähnelt fast schon einem Unikat.
Sauerländische Zurückhaltung: Minimalismus
Als Spieleautor verfolgt Andreas Mettler eine klare Linie, die ebenso simpel wie einleuchtend ist: Kartenspiele müssen durch ihre Konzepte begeistern. Design und Präsentation sind zwar nicht unwichtig, aber zweitrangig. Seitenlange Regelerklärungen sind für Mettler dagegen ein K.O.-Kriterium. Für ihn müssen Gesellschaftsspiele nicht „episch“ sein, sondern spielerisch reizvoll. Spontane Spielerlebnisse hält der Spieleautor aus Brilon für wesentlich. Daher sind es vor allem kompakte Kartenspiele mit wenig Beiwerk, die im Mittelpunkt seines kreativen Schaffens stehen.
Weil auch Mettler nicht gänzlich ohne die trendige Epicness auskommt, die derzeit unter Spielefans grassiert, beschäftigt sich eines seiner Kartenspiele genau damit. Heldentrip ist ein Karten-Rollenspiel für 3 bis 5 Spieler ab 14 Jahren, das klassische mittelalterliche Fantasy thematisiert – nur mit Karten und dem rigorosen Verzicht auf Tokens oder Spielertafeln.
Gespielte Satire ist dagegen der Titel Feindbild, bei dem political correctness ein absolutes No-Go ist. Das aktuelle Kartenspiel aus seinem übersichtlichen Portfolio ist Telepatix, das die Hirnzellen von 4 und 8 Spielern aktivieren soll. Das Konzept hinter dem „Gedankenexperiment“ ist simpel und erinnert ein wenig an die Frage-Antwort-Spiele aus dem Jugendalter, bei denen man so manche Antwort am liebsten niemals gegeben hätte.
Was bei allen Kartenspielen sofort auffällt ist, dass keines für Kinder geeignet ist. Andreas Mettler bedient die Geschmäcker eher erwachsener Kartenspieler.
10 Fragen. 10 Antworten.
Insgesamt zehn Fragen haben wir Andreas Mettler gestellt. Beantwortet hat er jede – mit so mancher Überraschung vor allem im digitalen Spielebereich.
Andre von Spielpunkt: Erzähle zunächst ein wenig über dich: Wer bist du? Was machst du?
Andreas Mettler: Hallo, ich bin Andreas Mettler. Ich erfinde Spiele seit ich einen Bleistift in der Hand halten kann. Das waren früher vor allem Computerspiele. In den 1980er Jahren für den Commodore 64, später Flashgames für den Browser. Mittlerweile fange ich an, die reale Welt zu entdecken. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, auch reale Spiele zu entwickeln.
Andre von Spielpunkt: Was ist besonders an deiner Manufaktur?
Andreas Mettler: Bleistifthalter. Spieleerfinder. Pädagoge. Satiriker. Trendverschläfer. Verrückter Produktionsleiter.
Andreas Mettler: Druck, Lackierung, Schnitt und Stanzen – ich mache alles selbst. Und ich habe immer nur einen kleinen Vorrat von jedem Kartenspiel auf Lager. Also fast eine Produktion „on demand“. Auf diese Weise kann ich jederzeit neue Ideen und Innovationen verwirklichen, auch bei Kartenspielen, die ich bereits verkaufe. So wie man es von den Updates bei Computerspielen kennt.
Andre von Spielpunkt: Warum ausgerechnet Kartenspiele und woher stammen deine Ideen?
Andreas Mettler: Ich habe auch ein paar Konzepte für Brettspiele in der Schublade. Aber Brettspiele selbst produzieren? Da müsste ich meine Werkstatt nochmals erheblich
erweitern.
Ich setze Themen um, die ganz persönlich mit mir oder meinen anderen Projekten zu tun haben. Das gibt am Ende recht authentische Spiele. Seit 2015 betreibe ich das Satireportal „Satirepatzer“.
2016 folgte „Feindbild – Das Kartenspiel“. Das ist kein Produkt für große Verlage, aber ich habe die passende Zielgruppe dafür an der Hand.
Andre von Spielpunkt: Welche waren die größten Herausforderungen, denen du dich zum Projektbeginn stellen musstest?
Andreas Mettler: Am Anfang standen erhebliche Investitionen für den Aufbau meiner eigenen kleinen Manufaktur. „Normale“ Drucker streiken, wenn man dicken Karton einlegt. Der größte Brocken war allerdings die Kartonlackiermaschine. Diese Geräte füllen normalerweise eine halbe Garage und die Anschaffungskosten bewegen sich im Mittelfeld fünfstelliger Summen. Aber die cleveren Chinesen stellen auch Desktop-Geräte her. Die haben zwar viele Macken, aber ich habe gelernt, damit umzugehen und bekomme inzwischen die Ergebnisse, die ich mir wünsche.
Andre von Spielpunkt: Deine Meinung ist gefragt. Warum sind Gesellschaftsspiele derzeit im Trend? Was können Kartenspiele im sozialen Kontext leisten?
Andreas Mettler: Liegen sie denn im Trend? Wusste ich gar nicht, freut mich aber. Früher hatte ich mich mit Freunden regelmäßig zur LAN-Party getroffen. Einmal hatten wir als
Alternative Brett- und Kartenspiele auf den Tisch gestellt. Wir hatten an dem Tag viel mehr Spaß und sind dabei geblieben.
Andre von Spielpunkt: Der Schritt zur Manufaktur: Warum selbst produzieren, wenn es große Produktionsstätten gibt?
Andreas Mettler: Das war zunächst eine Trotzreaktion. Ich hatte in den Foren für Entwickler nachgefragt: Kann man Spiele eigentlich auch selbst produzieren? Und die Antwort war
klar: Sowas macht niemand! Dann dachte ich mir: Dann wird es Zeit, dass es mal einer versucht.
Andre von Spielpunkt: Spiele selbst erfinden wollen viele erfahrene Spieler. Wenn du einem Nachwuchsautor einen einzigen wichtigen Tipp geben müsstest: Worauf kommt es an bei der Entwicklung eines neuen Kartenspiels?
Andreas Mettler: Versuche nicht, jedem zu gefallen! Mainstream tendiert immer zur Langenweile. Das können wir seit vielen Jahren bei den großen Titeln der Computerspiele
beobachten. Gerade dann, wenn du in kleinen Auflagen produzierst, hast du die Chance, deinen eigenen kauzigen Weg zu gehen und dein Alleinstellungsmerkmal zu finden. Du kannst Spiele erschaffen,
die es sonst niemals geben würde.
Andre von Spielpunkt: Welches ist dein absolutes Lieblingsspiel?
Andreas Mettler: Dominion
Andre von Spielpunkt: Gesellschaftsspiele als Apps: Wie stehst du zu der Entwicklung?
Andreas Mettler: Ich habe noch nie auf dem Handy gespielt. Der Bildschirm ist mir zu klein und die virtuelle Tastatur zu popelig.
Andre von Spielpunkt: Sehen wir dich auf der kommenden SPIEL’17 in Essen?
Andreas Mettler: Das hoffe ich doch sehr!
Andre von Spielpunkt: Herzlichen Dank für deine Eindrücke. Möchtest du den Lesern persönlich noch etwas sagen?
Andreas Mettler: Verwirkliche deine Träume! Erschaffe etwas, was es ohne dich nicht geben würde! Das Leben ist kurz und in hundert Jahren sind wir alle tot. Und schaut unbedingt mal in meinen Onlineshop rein: kartenspiel-kompakt.de