Wir setzen die Segel in Her Majesty’s Ship und kümmern uns um die Crew, Piraten und alles, was es auf den Weltmeeren noch so zu tun gibt. Das klingt zunächst einem einem grundsoliden Spielkonzept, das aufgehen könnt. Ob uns Her Majesty’s Ship von Every Single Soldier Spaß macht oder das Indie-Spiel sang- und klanglos absäuft, erfahrt Ihr in unserem Test zum Spiel für Nintendo Switch.
Wolltet Ihr im Zeitalter des Segelns schon einmal ein militärisches Marineschiff kommandieren? So tun, als würde man die HMS Victory gegen die Franzosen und Spanier in der Schlacht von Trafalgar führen? Nun, mit dem Schiff Ihrer Majestät habt Ihr die Chance, die Segel in einem einfachen, aber schwer zu meisternden Spiel zu setzen.
Ein Spiel das technisch nicht anspruchsvoll aber voller Charme ist
Her Majesty’s Ship wird zwar keinen Preis für Fotorealismus gewinnen, aber der leicht karikaturhafte Low-Poly-Look passt viel besser zum Spiel, als erwartet. Jeder Raum des Schiffes (bis hin zu einzelnen Möbelstücken) ist einzigartig, was viel Liebe zum Detail zeigt. Wenn man dann auch noch seine Mannschaft rumwuseln sieht erkennt man den Charme des Spiels.
Es ist zwar schade, dass die Optik, die man zu Beginn des Spiels sieht, die gleiche ist, die man durch das ganze Spiel hindurch sehen wird, aber ein Spielverderber ist das keinesfalls. Es wäre aber schön gewesen, Unterschiede in den Räumen und Layouts auf verschiedenen Schiffen zu sehen, oder die Möglichkeit, Räume auf demselben Schiff aufzurüsten.
Die Soundeffekte sind vielfältig, knackig und fühlen sich für jede Aktion geeignet an. Dies gilt insbesondere während des Kampfes, wenn Ihr das Dröhnen des Kanonenfeuers (von beiden Seiten) und das Holzgeräusch, das gegen den Schiffsrumpf prallt, wenn Ihr Schiff Schaden nimmt, praktisch spüren könnt.
Die Musik ist relativ unscheinbar und doch schön zu anzuhören. Sie ist zwar im Hintergrund zu hören und wird während bestimmter Szenen (wie Sieg oder Niederlage) lauter, aber die Musik überwältigt niemals die Soundeffekte. Dies war unserer Meinung nach eine gute Entscheidung. So war der Fokus der Geräuschkulisse auf das Schiff und die Mannschaft gesetzt, was mehr Intensität in die ganze Geschichte brachte.
Verärgere niemals die Niederländer
Die Idee hinter dem Spiel ist, dass man für eine von vier Nationen – England, Frankreich, Portugal oder Spanien – kämpft und dabei vermeidet, die Niederländer zu verärgern und Piraten abzuwehren – aber nein, man kann selbst kein Pirat sein. Was passiert, wenn die Niederländer euch als Feind markieren? Naja, ganz einfach: Sie schicken The Flying Dutchman hinter euch her. Was letztendlich eine ziemlich üble Sache ist.
Der legendäre Kahn ist ein fast unbesiegbares Schiff, das sich ausschließlich darauf konzentriert, euer Schiff zu versenken. Besonders zu Anfang des Spiels sollte man sich nicht mit der Dutchman anlegen da sonst ganz schnell der Game Over Screen auftaucht. Wir selbst hatten leider nie die Gelegenheit die Dutchman zu sehen da ein Bug das gänzlich unmöglich machte.
Während des Spiels steigt Ihr im Rang auf, möglicherweise vom Kapitän zum Admiral der Flotte, was euch auch Zugang zu besseren Schiffen verschafft. Dies wiederum ermöglicht es, mehr Matrosen anzuheuern, mehr Offiziere zu stellen und mehr Fracht zu transportieren. Hört sich alles erstmal fade an aber glaubt uns das sehr wichtig um auf der See zu überleben.
Mehr Matrosen braucht die HMS
Mehr Matrosen bedeuten, dass Ihr die Besatzung mehr Aktionen auf einmal ausführen lassen könnt. Am Anfang kann man nicht einmal jede Kanone während des Kampfes bemannen, geschweige denn erwarten, dass die Crew die Segel entfaltet, das Deck wäscht, ein verletztes Besatzungsmitglied behandelt und den Schiffsrumpf auf einmal repariert. Das klingt vielleicht nach viel, aber man muss all das so schnell wie möglich erledigen. Darüber hinaus können Matrosen zu Offizieren befördert oder zu Marinesoldaten ausgebildet werden, wobei letztere für die Einnahme von Außenposten oder das Entern feindlicher Schiffe unerlässlich sind.
Offiziere können schließlich in den Rang eines Kommandeurs befördert werden und ein eigenes Schiff zum Kommando erhalten. Ihr und eure Besatzung können an eurer Seite mitsegeln oder in getrennten Missionen losgeschickt werden. Wie viele zusätzliche Schiffe sich eurem Geschwader anschließen, hängt vom Rang des Charakters ab.
Der wahrscheinlich wichtigste Grund für eine Beförderung und den Erhalt besserer Schiffe ist der größere Frachtraum. Alles, was Ihr immer bei euch tragt, ist Nahrung, Rum und Schießpulver. Größere Portionen an Nahrung bedeuten höhere Moral. Rum ist ein schneller „Muntermacher“ für Matrosen, und obwohl er nicht so notwendig ist wie Nahrung, ist er eine wichtige Voraussetzung für einige obligatorische Feierlichkeiten. Schließlich kann man ohne Schießpulver keine Kanonen abfeuern, und das macht es unmöglich, feindliche Schiffe anzugreifen oder sich zu verteidigen.
Gold und Moral – die zwei Krücken der See
Gold ist die Währung des Tages, und Sie werden viel davon brauchen. Manchmal findet man Lebensmittel, Rum und Schießpulver auf Inseln oder in Schiffswracks, aber in den meisten Fällen müssen Sie an einem Außenposten anlegen und diese kaufen. Sie werden auch Gold brauchen, um neue Seeleute anzuheuern und Geld für Beförderungen zu investieren.
Moral ist das Schwierigste, was man auf Her Majesty’s Ship erreichen kann. Solange Ihr die Rationen eurer Mannschaft nicht verdoppelt habt oder angedockt seid, sinkt die Moral ständig mit einer variablen Rate, je nachdem, welche Befehle Ihr der Mannschaft gibt. Wenn die Moral auf Null sinkt, wird die Besatzung meutern, was zum Verlust des Schiffes und zu einem massiven Verlust von Beförderungspunkten führt.
Die Tageszeit ist eine weitere Komplikation, da eure Besatzung nachts schlafen möchte. Kein Schiff kann effektiv operieren, wenn alle schlafen, so dass die Besatzung nachts in beschleunigtem Maße an Moral verliert. Auch die Zeit hält nie inne, was uns nicht besonders gefallen hat. Der Entwickler sucht angeblich nach einer „taktischen Pause“, aber es gibt keinen Hinweis darauf, wann das eintreten könnte, also geht nicht davon aus, dass sie später hinzugefügt wird.
Moment mal… Wo ist die Story?
Es gibt keine. Im Ernst, die Geschichte lautet: „Macht dies und das, damit eure Nation gewinnt“. Es wäre nicht schlecht, wenn es auf Her Majesty’s Ship mehr zu tun gegeben hätte. Wenn Ihr den Konteradmiral erreicht habt (zwei Klassen über dem Startrang des Kapitäns), habt Ihr wahrscheinlich schon alles gesehen und getan, was es in diesem Spiel zu sehen und zu tun gibt. Während des Spiels erhält man Hinweise in Form von verschiedenfarbigen Flaggen am Achtermast, die euch nach Abschluss des Spiels Belohnungen verleihen. Die meisten dieser Aufgaben sind einfach zu erledigen, wie z.B. das Auspeitschen eines widerspenstigen Matrosen, das Schrubben des Decks oder das Probeabfeuern einer der Kanonen. Die Hälfte der Zeit hatten wir das Gefühl, nichts anderes zu tun als eifrige Arbeit, anstatt tatsächlich ein Spiel zu spielen.
Wenn man eine Aufgabe von der Admiralität erhält, hat man nicht die Möglichkeit, sie zu ignorieren. Entweder Ihr nimmt sie an, oder es wird trotzdem eine Aufgabe für euch ausgewählt. Diese Aufgaben sind oft komplex und zeitaufwendig, aber wenn Ihr die Aufgabe erfolgreich abschließt, ist die Belohnung viel größer als bei jeder anderen „normalen“ Aufgabe. Wenn Ihr umgekehrt die Aufgabe nicht erfüllt – was bedeutet, dass Ihnen die Zeit zum Beenden der Aufgabe ausgeht -, hat dies einen dramatischen Rückgang der Moral und eine Verringerung der Beförderungspunkte zur Folge. Manchmal könnt Ihr deswegen sogar degradiert werden.
Infobox
Spielerzahl: 1
Alter: ab 12 (USK)
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: niedrig
Publisher: Wasteland Interactive
Entwickler: Every Single Soldier
Erscheinungsjahr: 2020
Plattformen: PC, Nintendo Switch
Sprachen: Englisch
Kosten: 9,99 Euro
Fazit
Her Majesty’s Ship ist unterhaltsam und amüsant, bietet aber sehr wenig Inhalt. Obwohl es zunächst als Management-/Simulations-/Erkundungsspiel erschien, hat es mehr Gemeinsamkeiten mit dem Klicker-Genre, wo das Gameplay so vereinfacht wird, dass man so schnell wie möglich auf Hotspots klickt. Her Majesty’s Ship fehlt der Realismus und die Komplexität einer Simulation, der offene Welt-Charakter eines Erkundungsspiels, und das Management beschränkt sich auf die Entscheidung „wen oder was soll ich anklicken? Wenn man noch das völlige Fehlen einer Story hinzufügt, dann hat man ein Spiel, das für alle außer denjenigen, die verzweifelt nach irgendeinem Spiel aus dem Zeitalter des Segels suchen, tot im Wasser zu liegen scheint.
Selbst dann könnten Leute mit historischen und militärischen Kenntnissen aus dieser Zeit das Her Majesty’s Ship wegen seiner vielen eklatanten historischen Ungenauigkeiten und der zu starken Vereinfachung des Schiffsbefehls meiden. Erschwerend kommt hinzu, dass Her Majesty’s Ship ein Bug-Fest ist.
Das erste Mal, als wir das Tutorial durchgespielt haben, hat das Spiel beim Laden eines Ereignisses versagt, und wir konnten nicht weitermachen. Es stellte sich heraus, dass dieser Fehler recht häufig auftrat und auch bei anderen Leuten aufgetreten war. Der Entwickler soll ihn angeblich behoben haben, aber es passierte uns, nachdem der Entwickler behauptete, er sei behoben. Her Majesty’s Ship ist in der Theorie kein schlechtes Spiel, aber in der Praxis erfordert es viel Arbeit. Leider schadet die glanzlose Kombination aus keiner Story, wenig Interaktion außer schnellem Klicken, Bugs und fast keinem Wiederspielwert dem, was sonst ein großartiges Spiel für Fans der Epoche und der Seekriegsführung sein könnte.