Wenn es etwas gibt nach dem man in der Games-Branche die Uhr stellen kann, dann sind es wohl die jährlichen Releases von Electronic Arts Sportspielreihen. Auch in diesem Jahr, unter den besonderen Bedingungen, schaffen Publisher und Entwickler es, die Serien FIFA, NHL und eben auch Madden um neue Ableger zu erweitern. Direkt vorab: Madden NFL 21 ist grandios – aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet. Und es grauenhaft – aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. In unserem Test zu Madden NFL 21 verraten wir, wie sich der neue Teil der Reihe in der Spielpraxis schlägt.
Die Entwickler von Madden NFL – im Grund von jedem Sportspiel – stehen immer wieder vor einem großen Problem: Einen Sport so realistisch wie möglich auf die Bildschirme transportieren und dabei darauf achten, dass auch der spielerische Part unterhaltsam wird. Jede Sportsimulation enthält daher einige spürbare Arcade-Elemente, manchmal direkt bei der Steuerung, manchmal indirekt spürbar durch Anpassungen bei Bewegungsabläufen oder der Spielgeschwindigkeit. Auch bei Madden NFL 21, dem neusten Ableger von EA Sports American-Football-Reihe, ist das spürbar. Der Plan für den aktuellen Ableger: Football muss sich noch realistischer anfühlen, dafür gibt es als neues Zugpferd einen separaten Arcade-Modus.
Madden NFL 21: An den kleinen Schrauben gedreht
Madden NFL 21 bleibt seinen Wurzeln treu. Das ist Fluch und Segen zugleich für die Sportspielreihe zum populärsten US-Sport, der auch hierzulande immer mehr Anhänger begeistern kann. Jedes Jahr stellt sich für Spieler die gleiche Fragen: Ist das neue Madden NFL ein neues Spiel oder nur ein teures Update des Vorgängers?
Manchmal ist es schwierig, darauf eine Antwort zu finden. Madden NFL 21 ist beides, neues Spiel und Update. Die Kernelemente der Sportsimulation haben Bestand – und zwar auf hohem Niveau. Das ist eine gute Nachricht für all jene Fans, die fürchten, die Entwickler würden das Spielprinzip zugunsten der Einsteigerfreundlichkeit beschneiden. Das ist nicht der Fall und im Grund auch nicht notwendig, weil verschiedene Skill- und Spieleinstellungen ermöglich, sich seine Madden-Erfahrung so zu kreieren wie man sie braucht: Simulation oder eher Arcade? Einfach oder herausfordernd? Kansas City Chiefs oder Miami Dolphins?
Ja, auch die Team-Wahl macht erneut einen enormen Unterschied bezüglich der Schwierigkeit aus. Nicht zuletzt liegt das am dem Skill-System, das EA Sports „X-Faktor“ getauft hat. Es handelt sich dabei im Grunde um ein System, dass die einzigartigen Skills einiger Superstars besonders hervorheben soll. Was klingt wie gemacht für eine Actionvariante des American Football, hat auch unter Simulationsaspekten tatsächlich eine Daseinsberechtigung, mehr noch: Es ist eine Bereicherung für Madden NFL – auch in diesem Jahr. Die Superfertigkeiten der Spieler sollen ihre realen athletischen Fähigkeiten abbilden und so ihre virtuellen Alter-Egos zu herausragenden Profis machen. Das funktioniert und steht bei Madden NFL 21 deutlich mehr im Fokus. Es gibt dutzende neuer Skills, die dann aktiviert werden, man im Spiel mit dem jeweiligen Spieler eine Mini-Aufgabe abschließt.
Ein cooler Kniff, der zeigen kann, wie mächtig einige Spieler tatsächlich sind. Wenn Patrick Mahomes plötzlich nicht nur einen langen Pass, sondern einen überlangen Pass werfen kann oder Lamar Jackson durch seinen Quarterback-Scramble nahe unangreifbar für die Defense wird, dann macht das Spaß und führt so grandiosen Spielsituationen – aber es fühlt sich mitunter auch übermächtig an. Dennoch: Die X-Faktor-Moves sorgen für eine erhöhte Immersion. Man fühlt nahezu, wie man selbst die Schuhe eines MVP geschnürt hat und kann nachvollziehen, woher die Begeisterung für American Football kommt. Die Superstar-Skills feiern die Sportart, reißen mit, sorgen für einzigartige Momente, die Partien sogar drehen können. Dass EA Sports den Fokus auf das System verstärkt, ist eine weise Entscheidung.
Hinterhof-Football ist Maddens Flaggschiff
Im Mittelpunkt von Madden NFL 21 stehen vorrangig zwei Spielmodi: Superstar-Knockout, das in der Zeit nach dem Release bereits Teil von Madden NFL 20 wurde sowie The Yard. Während Superstar-Knockout sich spielerisch an klassischen Online-Duellen mit Sudden-Death-System orientiert – es gibt schnelle, kurze Matches mit speziell ausgerichteten Teams – , ist „The Yard“ das neue Highlight des diesjährigen Madden NFL. Der Modus bietet Football, wie er in Gärten, Hinterhöfen oder vor dem Haus von Fans gespielt wird – es ist quasi ein US-amerikanisches Pendant zum Straßenkick. „The Yard“ ist am Ende das „Volta“ der Madden-Reihe: Kleine Feld, wenig Spieler, mehr Übersicht, spezielle Regeln. Alles getrimmt auf Action und Spaß, nicht auf Taktik und Strategie. Verbunden ist das gesamte Konzept auch mit Madden Mobile, dem Mobilableger der Madden-NFL-Reihe.
Zwei Teams mit jeweils sechs Spielernstehen dann auf dem Platz. Eine Zeitbegrenzung gibt es nicht, stattdessen wird um Punkte gespielt. Dazu hat jede Mannschaft eine bestimmte Anzahl an Downs, Punts oder Kicks gibt es nicht. Was es dafür gibt, sind einige zusätzliche Manöver, die man spielen kann – so auch Pässe nach vorn hinter die „Line of Scrimmage“. Natürlich können die Mega-Stars auch in diesem Modus ihre Fertigkeiten einsetzen. Das macht The Yard zu einem ziemlich coolen, wenn auch kurzweiligen Erlebnis. Immerhin sorgt der Modus für neues Leben in dem eher angestaubt wirkenden Madden-Franchise. Immer wieder warten neue Herausforderungen auf den unterschiedlichen „Yards“ auf den Sportler auf Gamepad. „The Yard“ wird damit zu einer willkommenen Abwechslung zu den herkömmlichen Matches, in denen es eher auf Clock-Management und Spielzugplanung ankommt und in dem immer wieder auch Strafen den Spielfluss unterbrechen. Der neue Modus ist als Ergänzung gedacht und das Konzept geht auf, vermutlich auch, weil es sich weit von dem sonst so straffen Regelwerk der NFL entfernt.
Abseits der neuen Modi spielt sich Maden NFL 21 grundsätzlich so wie in den Vorjahren, wenn auch mit kleinen, aber immerhin spürbaren Anpassungen bei Tacklings oder Pass-Rushes. Im Detail fühlt sich die Steuerung intuitiver und auf den Punkt gebracht an, man kann präziser auf die Spielsituationen reagieren, wenn man es muss. In den Vorgängern lief das eher behäbig ab, Madden NFL 21 bietet einfach direkteres Gameplay.
Offensichtliche Veränderungen gibt es bei der Präsentation der Übertragungen oder der Benutzeroberfläche. Insgesamt sind das jedoch eher Randerscheinungen: Im Kern ist Madden NFL 21 ein Madden NFL 20 mit Aktualisierungen auf Detailebene. Ob das schlecht ist? Nein, denn der Vorgänger war ein mehr als gelungener Versuch, der Reihe neues Leben einzuhauchen. Mit Maden NFL 21 setzt EA Sports nun auf ein intensiveres Gameplay direkt auf dem Rasen: Es gibt aggressiveres Play-Calling, vor allem aber Pass-Rush-Optionen, die es dem Spieler endlich ermöglichen, auch in der Defensive aktiv zu agieren und nicht allein auf Fehlpässe oder Interceptions hoffen zu müssen, um ein Spiel zu drehen. Natürlich bleibt dennoch spürbar, dass es auch die individuellen Werte der Feldspieler ankommt, wenn defensive Aktionen erfolgreich sein sollen. Stars sind hier mal wieder im Vorteil.
Taktische Einflüsse sind ebenso durch durch die „Live Playbooks 2.0“ zu erwarten, also durch ein Feature, das Spielzüge aus der echten Liga ins Spiel integrieren soll. Aufgrund des noch ausstehenden Saisonstarts ist die Neuerung derzeit noch nicht spürbar. Das Konzept dahinter klingt allerdings gut und nach einer Bereicherung.
Genügend Auswahl auf spielerischer Ebene ist vorhanden: Es gibt Exhibition-Matches, online wie offline und mit der Möglichkeit, den Pro Bowl zu spielen; Trainings sowie den obligatorischen „Madden Ultimate Team“-Modus, bei dem man durch das Absolvieren von Herausforderungen oder Online-Matches Münzen erspielt, die dann wiederum in Spieler-Packs investiert werden – natürlich kann auch wieder Echtgeld eingesetzt werden. Insgesamt fehlen allerdings die Innovationen.
Internationale Stadien sind mit dabei
Einen Sprung schafft Madden NFL mit dem 21er-Ableger bezüglich seiner Internationalität. Die Profiliga hat sich längst auch dem weltweiten Publikum geöffnet, nun merkt man das auch dem Videospiel an. Endlich sind auch die Stadien der „International Series“ dabei: So können Matches im neuen Stadion der Tottenham Hotspur oder im Londoner Wembley-Stadion absolviert werden, zudem steht das Azteca-Stadion in Mexiko-Stadt zur Auswahl. Gewesen sein soll es es bei den Spielstätten aber nicht. Auch die beiden neuen Arenen in Los Angeles, also das SoFi-Stadium in Inglewood und das Allegiant Stadium als Heimspielstäte der Las Vegas Raiders, sind in Madden NFL 21 verfügbar.
Wenig bis nichts hat sich vorerst grafisch verändert. Vorerst, weil Madden NFL 21 den Sprung auf die Next-Gen-Konsolen Playstation 5 und Xbox Series X erst noch vollziehen muss. Vermutlich wird die Optik dann deutlich aufgewertet, auch spielerisch könnten Änderungen spürbar werden. Ob es etwa Änderungen am Gameplay gegen wird, wenn Madden NFL die Next-Gen-Hürde nimmt, bleibt abzuwarten – bekannt ist dazu bisher noch nichts.
Madden NFL 21 bietet ein ordentliches Gesamtpaket mit unterschiedlichen Spielmodi und auch einigen Neuerungen, insgesamt setzt EA Sports jedoch weiter auf Detailverbesserungen, wenn auch mitunter deutlich spürbaren. Das Gameplay auf dem Rasen zeigt sich deutlich verbessert, den Rahmen – und damit auch den Ultimate Modus sowie den Franchise-Modus – haben die Entwickler von EA Tiburon allerdings eher unangetastet gelassen, man könnte sogar behaupten vernachlässigt. Vieles fühlt sich vertraut an in diesem Jahr. Das gilt nicht ganz für den Story-Modus.
Wer „Face of the Franchise“ startet (man sollte hier übrigens direkt in der „Cloud League“ speichern, um den Spielstand mit Erscheinen der Next-gen-Konsolen übertragen zu können), wird durch eine im Kern recht gelungene Karriere-Story unterhalten, bei der mit den „Heartbreak Kids“ gleich zwei Protagonisten im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Wie immer treten auch Promis auf dem Plan, darunter etwa der Rapper Snoop Doog. Der Story-Modus ist insgesamt ausgefeilter als der Longshot-Mode aus dem Vorgänger – und auch die Story ist packender. Zudem spielt man nicht beständig eine Position durch, sondern kann Quarterback, Receiver oder Running Back sein. Dadurch ergibt sich nicht automatisch das Gefühl, alles sei ohnehin vorbestimmt auf dem Weg zum „Face of the Franchise“ in der Profiliga. Hier und da gibt es kleinere Events abseits des Rasens: Interviews oder Dialoge mit Teammitgliedern – und damit sogar Möglichkeiten, seine Statistiken etwas aufpolieren zu können. Fast obligatorisch für derartige Modi: Es gibt auch haufenweise Kitsch im Laufe der Geschichte. Das muss man nicht mögen, man muss sich aber auch nicht darüber ärgern.
Infobox
Spielerzahl: Solo, Multiplayer (offline und online)
Alter: ab 0 (USK)
Schwierigkeit: mittel bis hoch
Langzeitmotivation: hoch
Publisher: Electronic Arts / EA Sports
Entwickler: EA Tiburon
Erscheinungsjahr: 2020
Plattformen: PC (auch Steam), Playstation 4, Xbox One, Xbox Series X, Playstation 5
Sprachen: Deutsch, Englisch (Sprachausgabe)
Kosten: 64,99 Euro
Fazit
Sie ist wieder aktuell die Diskussion um das teuerste Kader-Update des Jahres. Bei Madden NFL 21 kann man fürstlich darüber diskutieren, ob die Investition ihr Geld wert ist oder nicht – einbeziehen muss man in diesem Jahr allerdings, dass man auch das Upgrade auf die Next-Gen-Version ohne Aufpreis bekommt. Current-Gen-Spieler interessiert das vermutlich eher wenig, sie erwarten eine Weiterentwicklung der Reihe.
Die liefert EA Tiburon grundsätzlich auch, wenn man im Detail: Auf dem Rasen fühlt sich alles einen Deut präziser an, vor allem den Defensiven Part spielen zu müssen, ist nun weitaus interessanter, weil man als Spieler tatsächlich Einfluss nehmen kann auf das Spiel. Die Offense unter Druck setzen? Geht! Coole Tackles auf den Bildschirm bringen? Geht! Das Match mit der D-Line entscheiden? Geht auch!
Hier zeigt sich, wie wertvoll selbst kleinere Veränderungen sein können. Wer nur das große Ganze betrachtet, wird in Madden NFL 21 hingegen ein Madden NFL 20 sehen, mit allen Stärken und Schwächen des Vorjahres. Ohnehin muss man sich bei Sportspielen so langsam die Frage stellen, welche großen Anpassungen überhaupt noch zu erwarten wären. Allzu viele sind es nicht – zumindest unter dem Simulationsaspekt von Madden NFL. Selbstverständlich könnte EA Tiburon zukünftig etwa mehr Liebe in den Ultimate Team Modus stecken oder den Franchise-Modus runderneuern, vielleicht sogar noch mehr Arbeit in den Story-Modus investieren – letzterer wirkt in diesem Jahr allerdings bereits deutlich fokussierter.
Auch die Stimmung in den virtuellen Stadien ist besser: Angetrieben von „Defense!“-Rufen mobilisiert man seine letzten Reserven kurz vor der eigenen Endzone, der Einstieg und das Vorgeplänkel vor den Matches ist noch einmal verbessert und auch die Präsentation gelungener Spielzüge oder Schlüsselszenen weiß zu begeistern. Langjährige Fans, die auch die vergangenen fünf Madden-Ableger im Regal stehen haben, werden dennoch überlegen können, ob es auch Madden NFL 21 als Zukauf sein muss, nur um ein Kader-Update zu erhalten. Langjährige Fans sind es allerdings auch, die die NFL lieben – und genau diese Fans bekommen reduziert auf das Gameplay einige Spieloptionen, auf die man nicht verzichten möchte. Am Ende ist auch Madden NFL 21 ein gutes Spiel – und im American-Football-Segment ohnehin konkurrenzlos. Zumindest noch, denn 2K Games möchte sich im nächsten Jahr zumindest ein kleines Stückchen vom Kuchen abschneiden.
Preview | Product | Rating | Price | |
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