Brettspiele mit sportlichen Settings gibt es, insgesamt ist die Anzahl jedoch überschaubar. Zielt man auf den Rennsport ab, schrumpft die Zahl an spielbaren Alternativen weiter. Vor allem Einsteiger, Familien- und Gelegenheitsspieler gucken in die Röhre. Ein schnelles Rennsport-Brettspiel mit einem bunten Konzeptmix ist Downforce, erschienen bei Iello. Ob Spaß aufkommt, wenn die Flitzer auf der Rennstrecke ihre Runden drehen, verraten wir in der Brettspiel-Rezension zu Downforce von Wolfgang Kramer.
Bei Downforce von Iello handelt es sich um eine Neuauflage von Wolfgangs Kramers Brettspiel „Top Race“, das – damals erschienen bei ASS – im Jahr 1996 auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres stand. Gewonnen hat in diesem Jahrgang „El Grande“, ebenfalls von Wolfgang Kramer. Spannend: Selbst zu diesem Zeitpunkt war Kramers Idee nicht mehr taufrisch. Die Wurzeln von Top Race liegen im Jahr 1974: Wolfgang Kramer hatte mit „Tempo“ ein Rennspiel erdacht, bei dem es um einen Sprint auf gerader Strecke ging. Diese simple Idee wurde sechs Jahre später neu aufgelegt als „Niki Laudas Formel 1“ und damit erstmals lizensiert. Es folgten weitere Auflagen der „Tempo“-Variante bis daraus tatsächlich ein echtes Rennsportspiel wurde.
Downforce: Für Millionen die besten Fahrer kaufen
Nach einer redaktionellen Überarbeitung des Rennspiel-Klassikers aus den Mittneunzigern durch Rob Daviau und Justin D. Jacobsen, dürfen Sportspielliebhaber nun erneut die Geschicke ihres Rennstalls und die Wagen anschließend über die Piste lenken. Schon wird deutlich: Downforce setzt auf ein zweigeteilten Spielablauf.
Der Rennsport ist millionenschweres Business und genau darum geht es zunächst. Jeder der zwei bis sechs Spieler übernimmt einen Rennstall – allerdings ohne zu Beginn über Rennwagen zu verfügen. Diese gilt es nämlich zunächst zu kaufen, genauer: zu ersteigern.
Der Spieler erhält dazu seine Handkarten, durch die er seine Gebote abgegeben kann. Das Prinzip dahinter ist simpel. Die aufgedruckten Zahlen und Farben symbolisieren die Gebote. Reihum wird für jeden der Rennwagen eine eigene Auktionsrunde gestartet. Geht es etwa um den roten Flitzer, wählen Spieler eine jener Karten mit einer dem roten Wagen zugeordneten Zahl – das ist der Betrag in Millionen, die als Kosten auf den Rennstall zukommen, sollte kein Mitspieler ein höheres Gebot abgeben.
Der Kniff dahinter ist offensichtlich: Je höher das Gebot, desto höher sind die Kosten, desto geringer fällt am Spielende möglicherweise der Gewinn aus. Weil die gebotenen Beträge bei der Endwertung verrechnet werden, schmälert das die Siegpunkte – man kann bei der Abgabe der Gebote also durchaus ein wenig taktieren.
Das simple Prinzip ein eingängig, schnell verstanden und kurzweilig. Die Auktionsrunden sind gleichzeitig ein wesentliches Spielelement, hinter dem sich mehr verbirgt, als es zunächst scheint. Weil jeder Spieler zwar gleich viele Handkarten erhält, diese allerdings zufällig vergeben werden, können Farbhäufungen vorkommen.
Wichtig wird das vor allem, wenn es darum geht, im zweiten Spielabschnitt die Rennwagen mit demselben Handkartenvorrat über die Strecke zu jagen. Man sollte also während der Auktionen auf die Rennwagen setzen, bei denen man davon ausgeht, dass man diese am besten „steuern“ kann – selbstverständlich unter der Prämisse, dass man die gegnerischen Strategien nicht kennt. Man kann, muss aber nicht auf seinen eigenen Rennstall wetten, um zu gewinnen.
Hilfreich ist jedenfalls eine zusätzliche Tempo-Karte, die man zu jedem ersteigerten Rennflitzer bekommt sowie – und das ist unter taktischen Gesichtspunkten interessant – eine Spezialkarten, die das Verhalten der Wagen auf der Rennstrecke beeinflusst. Jeweils eine darf jeder Spieler von diesen speziellen Fertigkeiten mit in die Rennphase nehmen. Leer geht in der Auktionsphase übrigens kein Spieler aus.
Die Skills der Fahrer sind dabei durchaus nützlich: So lassen sich mit der Fähigkeit „Trickreich“ die Rennwagen in umgekehrten Farbreihenfolge bewegen, was zu zusätzlichen taktischen Erwägungen während des Rennens führen kann. Durch die Spezialfertigkeit „Zielstrebig“ könnten man hingegen seinen Flitzer nach einem Sprint auf gerader Strecke um ein weiteres Feld nach vorn bewegen. Insgesamt sind die Einflüsse der Karten scheinbar gering, im Verlauf des Rennens können die Skills allerdings darüber entscheiden, wann welcher Wagen über die Ziellinie fährt – und genau darum geht es im zweiten Spielabschnitt.
Wette auf Gewinner, nicht auf dich selbst
Ziel bei Downforce ist nicht, mit einem seiner Rennwagen als erstes die Ziellinie zu überqueren, sondern durch das clevere Platzieren von Wetten eine möglichst hohe Gewinnsummer zu erzielen. Gewettet wird auf beiden Rennstrecken des doppelseitigen Spielplans jeweils drei Mal .
Den Zeitpunkt zeigt dabei eine Markierungslinie an. Das Abgeben der Wette ist erneut simpel und für jedermann auch ohne Brettspiel-Erfahrung nachvollziehbar: Man markiert auf seinem Wertungsbogen schlicht jeden Rennwagen, bei dem man davon ausgeht, dass dieser als Topplatzierter ins Ziel kommt, das macht man dann weitere zweimal im Verlauf des Spiels. Selbstverständlich gibt es bei späteren Wetten niedrigere Gewinne, weil die Vorhersagechancen entsprechend steigen.
Als „Trostpreise“ gibt es Geld auch dann, wenn die gewählten Wagen auf Platz zwei oder drei ins Ziel rasen. Möglich ist, bei jeder Wette die gleich Wagenfarbe auszuwählen. Wer sicher ist, dass ein Rennflitzer gewinnt – oder zumindest unter die Top-3 kommt – kann ein solches Wettmanöver nutzen und sich möglicherweise einen Vorteil verschaffen. Ähnliches gilt natürlich, wenn man mit seinen Handkarten das Renngeschehen derart steuern kann, dass man die Zieleinfahrten zu seinen Gunsten beeinflusst.
Ebenfalls lukrative Preise gibt es, wenn die eigenen Wagen gute Platzierungen erreichen. Hier wird der Einfluss aus der Auktionsphase spürbar. Wer clever taktiert, kann so auf einen großen Rennstall verfügen ohne dafür Unsummen ausgegeben zu haben – weiterhin unter der Prämisse, dass Mitspieler sich bei der Abgabe ihrer Gebote verkalkuliert haben. Es schlummert also durchaus ein gewisses, allerdings überschaubares Risiko in der Zusammenstellung des Rennstalls.
Racing mit sanfter taktischer Note
Neben der Jonglage mit den finanzielle mitteln, sind Spieler auch direkt für das Renngeschehen verantwortlich. Die Wagen bewegen sich durch das Ausspielen von Handkarten über den Rundkurs. Dabei werden die Autos jeweils so viele Felder bewegt, wie die Handkarten vorgeben – und zwar gilt das für alle abgebildeten Autos. Ist man also etwa Besitzer des roten Rennstalls und möchte seinen roten Wagen um sechs Felder nach vorne drücken, kommt man kaum umhin, auch die Autos der Konkurrenz fahren zu lassen. Die Karten sind dabei unterschiedlich ausbalanciert: So kann man das Fahrerfeld enger zusammenschieben oder mit einem einzelnen Wagen – erst recht in Kombination mit den Spezialfertigen – einen Vorsprung herausfahren.
Die taktische Komponente während des Rennabschnitts von Downforce ist vorhanden und auch spürbar, erreicht allerdings nicht die strategische Tiefe von anspruchsvolleren Rennsport-Brettspielen wie etwa Rallyman GT. Bei Downforce geht man Kompromisse ein zwischen Regelkomplexität und Einsteigerfreundlichkeit. Genau in diesem Bereich punktet die überarbeitete Version von Iello: Man kann mit aufgeschlagener Anleitung sofort losspielen.
Weder ein Tutorial noch eine „Testpartie“ wird benötigt, um das Spielkonzept ausloten zu können – zumindest wenn man von Beginn mit einigen Überlegungen an dieses Brettspiel herangeht. Wer sich auf Downforce einlässt, wird belohnt mit einem knackigen, auf das Wesentliche reduzierten Spielablaufs, bei dem von Anfang an klar ist, dass die Partie kein abendfüllender Rennzirkus, sondern eine zeitlich eng umgrenzte Veranstaltung mit Motorsport-Thema wird. Freuen wird das vor allem Einsteiger und Gelegenheitsspieler, die sich Regeln selbstständig erarbeiten müssen und nicht auf der Erklärbär-Luxus zurückgreifen können.
Wer das familienfreundliche Brettspiel mit Rennwagen-Setting erweitern möchte, kann das mit der Erweiterung „Danger Circuit“ tun, mit der man auf zwei neue Rennstrecken und sechs neue Spezialfertigkeiten zugreifen. Spannend sind darauf vor allem die namensgebenden „gefährlichen Passagen“ auf den Strecken, die den Zug eines Spielers beenden. Viel mehr können Wagen dann so platziert werden, dass Blockaden entstehen.
Es handelt sich um eine reine Erweiterung: das Grundspiel muss dafür zwingend vorliegen. Sprachversionen lassen sich natürlich mischen – auch, weil Downforce bis auf die Skill-Karten auf Text verzichtet.
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 6 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 30 bis 40 Minuten
Schwierigkeit: einfach
Langzeitmotivation: mittel
Verlag: Iello / Huch
Autor: Wolfgang Kramer / Rob Daviau, Justin D. Jacobsen
Erscheinungsjahr: 2018
Sprache: deutsch
Kosten: 30 Euro
Fazit
Wer Brettspiele mit Motorsport-Thema mag, wird in Downforce eine schnell spielbare und durchaus spannende Alternative im Familien-Segment finden. Vielspieler werden vermutlich über die vergleichsweise seichten taktischen Kniffe murren, können mit der Neuauflage von „Top Race“ dennoch Spaß haben. Nicht zuletzt liegt das an der kurzen Spielzeit, die lediglich von der „Denkzeit“ der Mitspieler abhängt. Insgesamt lässt sich eine Partie Downforce in rund einer halben Stunde absolvieren, erfahrene Brettspielern können die Zeit noch weiter reduzieren. Für etwas Abwechslung sorgen Varianten mit leicht abgewandelten Regeln.
Den Charme der Mittneunziger hat auch Iello bei Downforce eingefangen. Das kann man dem Spiel nun ankreiden oder als positiven Aspekt hervorheben, je nach Sichtweise und Geschmack. Die kleinen Plastikautos sind detailarm und zweckmäßig, das Design der Karten nahezu nicht vorhanden. Den Spielablauf beeinträchtigt das nicht, im Gegenteil: Insbesondere bei der Durchsicht der Handkarten – und das kommt aufgrund der schnellen Spielerabfolge in kurzen Abständen vor – erweist sich die nüchterne als hilfreich.
Selbstverständlich ist das Thema austauschbar, passend zum Grundkonzept ist es dennoch. Es handelt sich im Kern um ein Wettspiel und ähnelt vom Ablauf her unter anderem dem Kamelrennen „Camel Up“. Dass ausgerechnet Rennwagen statt Pferdekutschen, Leichtathleten oder Drachenbooten über die Strecke flitzen, ist maßgeblich der Vorlage von Wolfgang Kramer zu verdanken. Durch Iello erlebt das – ein wenig in die Jahre gekommene – Spielprinzip ein Revival. Downforce ist keine tiefgründige Motorsportsimulation, kann dafür jedoch einen schnelle Einstieg in das Hobby bieten – oder Vielspieler für ein neues Setting begeistern.
Völlig kopflos an die Partie heranzugehen, empfiehlt sich auch bei Downforce übrigens nicht: Trotz des simplen Mechanismus sind Überlegung notwendig und angeraten, um am Ende ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu können. Anmerken muss man zudem, dass Iello gar nicht mit einem grandiosen Rennspielspiel wirbt, sondern Downforce schlicht als das beschreibt, was es ist: „Ein schwindelerregend schnelles Wettspiel.“ Nach einer Erstpartie ist ausreichend Motivation und Antrieb vorhanden, um Downforce erneut auf den Tisch zu bringen. Ein Grund dafür sind die Unvorhersehbarkeiten, die jede Partie individuell verlaufen lassen. Langweilig wird Downforce jedenfalls nicht so schnell: bei diesem Brettspiel passt der Zeit-Unterhaltungs-Faktor einfach.
[stextbox id=’autor‘ caption=’Wir suchen Verstärkung für die Redaktion‘]Wir suchen nach News-Autoren in den Bereichen Gaming, Bücher, Brettspiele sowie Filme und Serien. Du möchtest mitmachen? Dann > hier < klicken und bewerben.[/stextbox]