Spätestens seit „EXIT Das Spiel“ 2017 den Kennerspielpreis beim Spiel des Jahres erhalten hat, sind Escape-, Krimi- und Rätselspiele voll im Trend. Im Gmeiner Verlag ist nun mit „Dark Cases – Tiefer Fall“ ein neues Krimispiel erschienen. Der umfangreiche Fall lädt die Ermittelnden dazu ein, sich in die Vorkommnisse im verschlafenen und fiktiven Städtchen Dennsberg einzuarbeiten. Es gilt einen mysteriösen Zwischenfall am „Hausberg“ des Dorfes aufzuklären.
Das kleine Städtchen Dennsberg wird von einem mysteriösen Zwischenfall erschüttert. Der routinierte Kletterer Thomas Borgmann ist bei einer Klettertour am Talbachhorn, dem „Hausberg“ des Städtchens, aus großer Höhe abgestürzt und liegt nun mit lebensbedrohlichen Verletzungen auf der Intensivstation des Krankenhauses. Borgmann ist Geschäftsführer und Gründer des traditionsreichen Suppenherstellers BORGMANN´s. Die örtliche Polizei geht bislang von einem tragischen Unfall aus. Es mehren sich aber die Anzeichen, dass es vielleicht doch kein Unfall war. Die Aufgabe der Spielenden ist es, die vorhandenen Dokumente, Zeugenaussagen und Vernehmungsprotokolle auszuwerten, die von der Polizei gesicherten Spuren weiter zu untersuchen und die Motive und Alibis aller Verdächtigen zu überprüfen.
Mehr als eine Aneinanderreihung von Rätsel
Die „Regeln“ passen auf ein doppelseitiges DIN A5 Blatt. Wirkliche Regeln finden sich dort auch nicht. Die braucht es auch nicht. Nach einer kurzen Einleitung folgt der Auftrag. Ein bestimmter Brief wird zum Einstieg genommen und dann ist es an der Gruppe zu ermitteln. In der Schachtel finden sich eine Vielzahl von Dokumenten, die uns Kommissar Rupprecht von der Polizei Dennsberg hat zukommen lassen. Hier finden sich Chatprotokolle, Zeugenaussagen, Fotos vom Tatort und noch einiges mehr. Überall in den Dokumenten sind Hinweise versteckt, die zu neuen Hinweisen und Dokumenten führen und die Ermittlungen Schritt für Schritt vorantreiben. Hat man alle Hinweise gefunden und die richtigen Schlüsse gezogen, kann rekonstruiert werden, was zu dem tragischen Absturz von Thomas Borgmann geführt hat.
Am Ende gilt es dann, die eigenen Schlüsse auf der Website des Spiels mit fünf Fragen zu überprüfen. Die richtige Lösung wird mit einem kleinem Audiofile belohnt, in dem Kommissar Rupprecht alle Erkenntnisse noch einmal zusammenfasst.
Anders als etwa die Spiele der EXIT Reihe setzt Tiefer Fall nicht auf eine Reihe von Logikrätseln, die gelöst werden müssen, um wiederum zum nächsten Rätsel zu gelangen. Das Spiel und die Lösung einzelner Rätsel ist viel offener. Einzelne Punkte im Spiel benötigen trotzdem einen stärkeren Einsatz der grauen Zellen. Der Fokus liegt hier jedoch ganz klar auf dem Ermitteln und Kombinieren. Viele der Hinweise verweisen auf neue Hinweise oder lassen Bekanntes in einem neuen Licht erscheinen.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 6
Alter: ab 14 Jahren
Spielzeit: 90 bis 180 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Genre: Krimispiel
Autoren: Tobias Kühnlein und Mona Dengler
Gestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2022
Sprache: deutsch
Kosten: 18 Euro
Fazit
Der Gmeiner Verlag liefert mit Dark Cases – Tiefer Fall ein gelungenes Krimi- und Rätselerlebnis ab. Die große Revolution in diesem Genre erlebt man hier aber nicht. In der kompakten Schachtel erwartet die Spielenden ein mittelschwerer Fall. Das Schwierigkeitsniveau eignet sich sowohl für Einsteiger als auch für erfahrenere Spielende. Die analogen und digitalen Spielmaterialien sind allesamt von guter Qualität. Das Papier der Dokumente im Spiel ist dick und besitzt ein glänzendes Finish. Das macht das Material sehr haltbar. Auch wenn das Spiel nach dem Durchspielen nicht mehr allzu spannend ist, da man die Lösung bereits kennt, erlaubt die sehr gute Materialqualität die Weitergabe des Spiels. Hier hat man es definitiv nicht mit einem Wegwerfspiel zu tun.
Im Test waren alle Erfahrungsstufen vertreten. Von einem kompletten Neuling, der bisher nur einmal einen Escape Room betreten hat, über eine Person, die bereits einen Escape Room, ein paar EXIT Spiele und einige Online Escape Spiele gespielt hat, bis zu einem versierten Rätselspieler mit einer mittleren zweistelligen Zahl an gespielten Escape- und Rätselspielen war alles dabei. Insgesamt wurden für die Lösung des Falls zu dritt 105 Minuten benötigt und ein Hinweis in Anspruch genommen. Niemand hatte das Gefühl, überfordert zu sein und von den anderen nur mitgezogen zu worden. Gleichzeitig hatte auch niemand das Gefühl, dass das Spiel zu einfach sei.
Die Tipps sind zum Teil etwas wage gehalten. Einerseits ist dies natürlich gut, um nicht direkt zu viel Preis zu geben und den Ermittlungsspaß zunichte zu machen. Gerade beim „ersten“ Rätsel (im Einstiegsbrief wird darauf bereits hingewiesen) dürfte der letzte Tipp etwas genauer werden, wo man den entscheidenden Hinweis zur Lösung finden kann. Die etwas versteckteren Hinweise sind für Einsteiger wahrscheinlich deutlich schwerer zu entdecken als für erfahrene Spielende, da den Einsteigern die Erfahrung aus anderen, vergleichbaren Spielen und den dort „üblichen“ Lösungswegen noch fehlt. An dieser Stelle sind die Hinweise aber gut, wenn man sie brauchen sollte. Ein Punkt mit einer Auflösung, falls alle Tipps nicht helfen können, fehlt leider.
Das Spiel liefert konstant neue Informationen, die alle einen vergleichbaren Mehrwert für die Ermittlungen haben. Die „Rätsel“ sind auch alle ähnlich komplex, wobei das im Test die meiste Zeit benötigende Rätsel das oben genannte „erste“ Rätsel war. Im Gesamtkontext ist dies auch das schwierigste. Man kann natürlich auch viel entdecken, bevor man sich dieses Rätsels annehmen muss, da das Spiel eben nicht streng linear ist. Vom Aufbau wäre es trotzdem etwas einsteigerfreundlich, wenn das herausforderndste Rätsel nicht direkt am Anfang angesprochen wird. Dies ist jedoch der einzige Kritikpunkt, den es zum Aufbau und den zu entdeckenden Hinweisen gibt. Das Spiel läuft insgesamt sehr flüssig und die neuen Erkenntnissen führen die Spielenden langsam aber stetig auf die richtige Fährte, ohne dabei den Faden zu verlieren.
Die Geschichte ist schlüssig und liefert einen guten Rahmen für die Ermittlungen. Die Charaktere sind gut beschrieben. Allerdings nehmen diese auch alle sehr klassische Rollen in der Geschichte ein. Eine Figur aus der Geschichte, die nachhaltig im Gedächtnis bleibt, wird man hier nicht finden. Das Ende lässt sich gut entschlüsseln und das Audiofile zum Abschluss, in dem Kommissar Rupprecht noch einmal alles zusammenfasst, ist eine nette Belohnung. Es erlaubt, alle gewonnen Erkenntnisse auf einem Blick nachzuvollziehen.
Das hybride Rätseln mit den in der Schachtel enthaltenen „analogen“ Hinweisen und den weiteren digitalen Hinweisen funktioniert. Es trägt nicht dazu bei, das Spiel spürbar von anderen rein digitalen oder rein analogen Rätselspielen abzugrenzen, ist aber auf der anderen Seite auch nicht störend.
Für alle, die Rätsel- und Krimispiele mögen, kann man das Spiel uneingeschränkt empfehlen. Es bietet nichts wirklich neues, aber alles was es macht, macht es gut ohne in einem Punkt besonders herauszuragen. Die angegebene Spielzeit von 90-180 Minuten ist absolut realistisch und dürfte auch für reine Anfänger- oder reine Expertengruppen den Rahmen sehr gut abbilden. Ob man das Spiel zu sechst spielen sollte, ist wohl Geschmackssache. Genug zu lesen und zu entdecken gibt es auf jeden Fall auch bei dieser Personenzahl, so dass sich keiner langweilen muss.