Die Internationalen Spieltage in Essen begannen auch im Jahr 2017 ganz traditionell mit der Pressekonferenz samt anschließender Neuheitenschau. Was Dominique Metzler, Hermann Hutter und Frank Zirpins den anwesenden Medienvertretern in die Hände gaben war interessant, bestätigend, mitunter mutig. In unserer Rückschau fassen wir für euch die wesentlichen Informationen der Pressekonferenz zusammen und streifen selektiv durch Halle 1A, um einigte Neuheiten vorzustellen.
Mutig: SPIEL’17 In einem Atemzug mit der Gamescom genannt
Die Pressekonferenz begann, nach einleitender Begrüßung, mit der Vorstellung einiger ausgewählter Gesellschaftsspiele verschiedener Verlage. Der Auftritt von Sebastian Fitzek und Marco Teubner war ein erstes Highlight des Messemittwochs. Der Bestsellerautor stellte das Thriller-Brettspiel Safehouse vor, das in Zusammenarbeit mit Marco Teubner und Jörn Stollmann entwickelt wurde. Spielerisch siedelte Sebastian Fitzek sich nach eigenen Aussagen mittlerweile bei Brettspielen wie Lotti Karotti oder Krokodil an, was nicht zuletzt an den Interessen seiner mitspielenden Kinder liege. Klar war dann, dass für ihn an den beiden Toilettenspielen Flitzekacke von Megableu und Pipi Party von Hasbro kein Weg vorbeiführen würde. Seine eigene Brettspielkarriere begann indes mit einem absoluten Klassiker: Das Spiel des Lebens.
So wie Bücher seine auch Spiele eine Reise in eine andere Welt. Genau dieses Gefühl wollten die kreativen Köpfe bei der Konzeption von Sebastian Fitzek Safehouse (erschienen übrigens beim moses. Verlag) zu den Spielern transportieren. Für ein physisches Spielprojekt ist das zwar keine völlig neuartige Idee, weil das Spielelement des Zeitdrucks schon öfter bei anderen Titeln zum Einsatz bekommen ist, jedoch eine, die bei vielen Fans willkommen ist. Man fühle sich bei einer Partie Safehouse förmlich „getrieben“ und schlussendlich erleichtert, wenn man am Ende des Spiels das rettende und namensgebende Safehouse erreichen konnte. Dass der moses. Verlag für die Umsetzung der Brettspielidee ausgewählt wurde, liegt an der grandiosen Spielereihe Black Stories, für die Sebastian Fitzek sich begeistert. Folgt man den (nicht ganz ernst gemeinten) Aussagen von Marco Teubner, so ist es nur konsequent, dass die Wahl ausgerechnet auf ihn als Kinderspielautor gefallen ist: immerhin sei das kaum eine Überraschung wenn man zu Hause über Bücherregale voller Psychothriller verfügt. Und wer Kinder hat, verstehe die Spielzimmer ohnehin als Tatorte. So kam zusammen, was zusammengehört, um das storydichte Brettspiel samt hübschem Aufklappspielbrett auf die Beine zu stellen.
Ausdrücklich erwähnt wurde, dass man weder Fitzek-Fan sein muss noch ein einziges Buch des deutschen Erfolgsautors gelesen haben muss, um Safehouse zu spielen. Garantiert sei ordentliches Herzklopfen und eine gute Portion Spannung, wenn man am heimischen Spieltisch kooperativ gegen das Spiel antritt. Was sonst noch hinter der Idee zu Sebastian Fitzek Safehouse steckt, verrät der Bestsellerautor in einem kurzen Interview, das wir mit ihm auf der Neuheitenschau führen konnte.
Einige weitere Spielvorstellungen später, war es Hermann Hutter, dem traditionell die Ehre zukam, die Wachstumszahlen der Spielwarenbranche zu präsentieren. Trotz des immensen Angebots an neuerscheinenden Spieletiteln, sei die Begeisterung für Gesellschaftsspiele und Spielwaren ungebrochen. Im September betrug das Branchenwachstum (über alle Warengruppen hinweg) bereits 7,8 Prozent – was angesichts des noch bevorstehenden Weihnachtsgeschäftes als enorm bezeichnet werden kann. Die Gewinner der Branche sind vor allem Familienspielen, die zweistellige Wachstumsraten verzeichnen.
Ein weiterer Vorteil sei zudem, die Zielgruppe der 15- bis 35-Jährigen zurückgewonnen zu haben. Verantwortlich dafür sind vorrangig moderne Spielkonzepte. „Spielen ist in der heutigen Zeit eine Art Entschleunigung“, führte Hermann Hutter zur Erklärung der Branchenerfolge an. Zudem seien „Spielen auch Ausflüge in andere Welten, in denen man sich mit Kreativität und Fantasie bewegen kann.“ Begehrt sich aufgrund der Popularität von Brettspielen mittlerweile viele Titel jenseits der 50-Euro-Grenze, was nicht nur die großen Verlagen freuen wird, sondern auch viele unabhängige Spieleentwickler, die gehäuft auf ausufernde Materialschlachten und teure Miniaturen-Brettspiele setzen.
Die Absatzzahlen auf dem deutschen Spielwarenmarkt werden zukünftig weiter steigen, was eine Studie belegen könnte, die davon ausgeht, dass jeder zweite Deutsche in den kommenden zwölf Monaten ein Gesellschaftsspiel für sich selbst oder als Geschenk anschaffen wird. Die große Auswahl an unterschiedlichen Spieletiteln sei dagegen für rund 26 Prozent der Endkunden eher eine Art Hindernis, weil es schwerfällt, sich für ein passendes Spiel zu entscheiden. Influencer-Marketing wird weiter an Bedeutung gewinnen, weil rund 60 Prozent der Käufer sich auf Empfehlungen verlassen.
Auch Wünsche für die Zukunft hat Hermann Hutter, 1. Vorsitzender des Spielverlage e.V.: Die Eröffnung der Gamescom 2017 durch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sei ein deutliches Zeichen für die Videospielbranche gewesen. Ähnliche Unterstützung wünsche man sich auch für die Spielwarenbranche, die ebenfalls tolle Produkte zu bieten hat. Und tatsächlich würde mehr politisches Engagement der Branche guttun – auch weil die Welten zwischen Videospielen und Gesellschaftsspielen weiter verschmelzen. Spielverlage wie Asmodee, Noris oder rudy Games setzten auf digitale Technologien, um Spielern hybride Spielerlebnisse zu ermöglichen. Vor allem rudy Games versteht in herausragender Weise, wie man Brettspielmechanismen mit Apps verbinden kann. Schon Leaders – A combined Game war ein Achtungserfolg der Österreicher. Mit dem interaktiven Familienspiel Interaction setzt rudy Games auf eine App, die Spieler kennenlernt und diese Informationen für die Spielgestaltung einsetzt. Das ist nicht nur innovativ, sondern vielleicht eine konsequente Weiterentwicklung von sogenannten Social-Games, die die persönlichen Hintergründe der Mitspieler in den Mittelpunkt der Spielerfahrung stellen. Am Ende entscheiden die Kunden über den Erfolg derartiger Konzepte – zumindest die Generation der Smartphone- und Tablet-User wird Hybridspiele als Alternativen zu rein physischen Spielkonzepten dankend annehmen.
Insgesamt wird die Branche immer internationaler. Schon heute kamen rund 65 Prozent der 1100 Aussteller aus dem Ausland. Ginge es nach Hermann Hutter, so würde man schon in wenigen Jahren die gesamte Ausstellungsfläche der Messe Essen für sich nutzen. Die Pressekonferenz der SPIEL’17 durfte somit auch als Liebeserklärung als den Standort Essen verstanden werden, der mit der Geschichte der Internationalen Spieltage fest verbunden bleibt.
„Die Spieleverlage sind bereit, neue Ideen zu haben“, so Hermann Hutter abschließend. Dem haben wir nichts hinzuzufügen.
For the first time: Auszeichnung des innoSpiel 2017
Spieleverlage und Autoren lieben Auszeichnungen. Um die Pokalregale zu füllen, haben die Organisatoren der Internationalen Spieltage daher einen zusätzlichen Award ausgearbeitet, der in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wurde: der innoSPIEL 2017.
Der neue Jury-Preis wird zukünftig an Gesellschaftsspiele verliehen, die auf ein besonders innovatives Spielelement setzen. Dabei dient die Auszeichnung nicht zuletzt als Entscheidungshilfe für Kunden, sich auf dem Markt für Gesellschafts- und Familienspiele zurecht zu finden. Ins Leben gerufen würde der Preis innoSPIEL von dem veranstaltenden Friedrich Merz Verlag sowie der Stadt Essen.
Der Preisträger des innoSPIEL 2017 ist kein unbekannter Titel. Bereits die Jury des Spiel des Jahres e.V. hat dem Siegertitel erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen und das Spiel auf die Nominierungsliste für das Spiel des Jahres 2017 gesetzt: Magic Maze von Pegasus Spiele. Der Autor Kasper Lapp konnte die Jury des innoSPIEL mit seiner Idee überzeugen. Vier Ikonen der klassischen Fantasy (Elf, Zwerg, Barbar und Magier) versammeln sich bei Magic Maze in einem Einkaufszentrum, um Ausrüstung für ihr nächstes Abenteuer zu finden. Chronischer Geldmangel verführt die Gruppe jedoch zum Diebstahl. In den verwinkelten Gängen des Einkaufszentrums die richtige Ausrüstung zu finden ist ebenso schwierig, wie die anschließende Flucht. Dass alle Spielhandlungen unter Zeitdruck durchgeführt werden müssen, erzeugt bei Magic Maze zusätzliche Spannung. Auch wenn die Hintergrundgeschichte moralisch fragwürdig ist, gilt Magic Maze als kooperatives Echtzeit-Brettspiel, das bereits die Jury des Spiel des Jahres e.V. als kulturfördernd angesehen haben musste. Und tatsächlich funktioniert der Spielmechanismus außerordentlich gut, wenn 1 bis 8 Spieler gemeinsam die Figuren durch das Labyrinth bewegen – wobei bestimmten Bewegungsregeln gefolgt werden muss. Verbale Kommunikation ist während eines Großteils der Spielzeit unerwünscht, sodass jeder einzelne Mitspieler taktisch kluge Entscheidungen treffen muss, sobald etwa Sonderaktionen anstehen. Magic Maze wird damit zu einem innovativen Brettspiel, das kluge Mechanismen mit einem sich immer wieder verändernden Einkaufszentrum verbindet. Der enorme Wiederspielwert trägt maßgeblich zum Erfolg von Kasper Lapps Idee bei.
Insgesamt ist Magic Maze* von Pegasus Spiele ein empfehlenswertes Brettspiel – und ein würdiger Preisträger des innoSPIEL 2017.
Optisch beeindruckend: die Brettspiele der Neuheitenschau
Auf der Neuheitenschau der SPIEL’17 in Essen gab es viel zu entdecken. Neben Maple-Bacon-Kaubonbons, waren es vor allem Brettspiele wie Rollercoaster Challenge, A Game of Thrones – Catan, When I dream oder Vikings go Wild – Das Brettspiel, die die Blicke der Besucher auf sich zogen. Ohnehin schienen optische Reize den Spieleherstellern in diesem Jahr besonders wichtig gewesen zu sein. Umso schwieriger war es für die einzelnen Titel, sich von der Masse abzusetzen. Eines hatte der Großteil aller Gesellschaftsspiele auf der SPIEL’17 gemeinsam: Die grafische Qualität war durchweg großartig.
Nicht Ken Follett: Michael Rieneck über das Fundament der Ewigkeit
Im Gegensatz zu mindestens einem us-amerikanischen Kollegen, haben wir haben Michael Rieneck natürlich sofort als Autor des Brettspiels Ken Folletts: Fundament der Ewigkeit erkannt und die Gunst der Stunde genutzt, um mit ihm über den dritten Teil der Brettspiel-Trilogie zu sprechen. Das Spiel zum neuen Follett-Roman ist beim Verlag Franckh KOSMOS erschienen und führt die Geschichte der Kingsbridge-Saga fort. Mittlerweile im 16. Jahrhundert angekommen, ist es Königin Elizabeth I., die den Thron besteigt. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Kaufleuten, um ihre Handelshäuser zu führen, vor allem aber profitabel zu machen. Ken Folletts: Das Fundament der Ewigkeit wurde von Michael Rieneck als strategisches Brettspiel erdacht, das mehrere Spielmechanismen kombiniert. Darunter findet sich eine clevere Würfelmechanik, die den Hybriden aus Workerplacement und Majority um eine spürbare Glückskomponente anreichert. Die Bücher kennen muss man nicht, um Ken Folletts: Das Fundament der Ewigkeit spielen zu können. „Sinnvoll ist die Lektüre dagegen für alle Fans, die tiefer in die Details des Brettspiels eintauchen wollen“, empfiehlt Michael Rieneck. Dankbar ist der Autor vor allem für die tollen Illustrationen von Michael Menzel, der bereits mit der grafischen Ausarbeitung von Die Legenden von Andor für Begeisterung sorgte. Und tatsächlich tragen die Illustrationen spürbar zum Spielerlebnis bei.
Micheal Rieneck versteht sein Konzept als massenkompatibles Strategiespiel, dessen spielerische Werte sich erst nach einigen „Einführungspartien“ vollends entfalten. Der Einstieg in Ken Folletts: Fundament der Ewigkeit gestalte sich vergleichsweise einfach. Strategisch sinnvolle Handlungen auszuarbeiten sei für Spieler dagegen eine durchaus ambitionierte Aufgabe. Geht es nach dem Autor des Spiels, so sind es vor allem konfliktfreudige Spieler, die dem dritten Teil der Follett-Trilogie Spannung verleihen. In Partien von rund 90 Minuten durchspielen die Teilnehmer mehrere Spielrunden, die sich in jeweils zwei Halbjahre einteilen. Während im ersten Halbjahr stets die Aktionen der bestehenden Personen durchgeführt werden, erhalten die Spieler im zweiten Halbjahr neue – auch aus dem Roman bekannte – Charaktere und führen freie Aktionen auf den vorgesehenen Feldern durch. Für Michael Rieneck ist sein Ken Folletts: Fundament der Ewigkeit* eine gute Mischung aus Einsteigerfreundlichkeit und Anspruch. Das sehen nicht alle Spieler so. Vor allem die, die sich von dem Brettspiel ein Maximum an strategischem Handeln versprochen haben, unterstellen dem Titel einen zu hohen Glücksfaktor durch die Würfelmechanik.
Als an dem Titel interessierter Spieler wird man nicht umhin kommen, sich selbst ein Bild von Ken Folletts: Fundament der Ewigkeit zu machen. Eine Spielemesse bietet dafür den perfekten Rahmen.