Arche Nova von Feuerland Spiele wird im aktuellen Jahrgang als Toptitel gehandelt. Im Test offenbart sich, weshalb das so ist: der fein verzahnte Mechanik-Mix lädt zum Experimentieren und Optimieren ein. Erst verstanden, nimmt das strategische Brettspiel an Fahrt auf. Bis es soweit ist, vergeht etwas Zeit, denn Arche Nova erfordert zunächst, dass man eintaucht in Spielidee, Konzept und Thema. Vor allem bei letzterem hapert es allerdings auch.
Die Prämisse des Brettspiel Arche Nova, hierzulande erschienen im Verlag Feuerland Spiele, klingt zunächst nach seichtem Schönbau-Spiel: Spieler errichten einen modernen, wissenschaftlich geführten Zoo. Man legt Gehege an, bietet Tieren ein neues Zuhause und unterstützt Artenschutzprojekte auf der ganzen Welt. Rund 250 Karten liegen in der Brettspielschachtel – die Anzahl steht symbolisch für die Komplexität, die sich entfaltet, je tiefer Spieler in das Konzept des Brettspiels eintauchen.
Arche Nova: Zwischen Kenner und Experte
Die Schachtel von Arche Nova wiegt schwer. Hat man alle Stanzbögen ausgepöppelt und das Material mit dem Rest des Schachtelinhalts auf den Tisch gelegt, wirkt das zunächst erschlagend. Für den Preis von rund 65 Euro gibt es viel an Pappe und Holz. Auf Plastik hat man zumindest weitgehend verzichtet, auch wenn das beiliegende Sortiersystem aus Kunststoff nicht so ganz konform geht mit dem Grundthema des Brettspiels – immerhin ist es bei dem Wust ein Plättchen und Meeples praktisch.
Der Einstieg in Arche Nova nötigt einem Zeit ab, die Anleitung ist solide ausgearbeitet, erschwert das so wichtige Eintauchen in das Brettspielkonzept allerdings unnötig. Man hält gern durch, immerhin ist die Erwartungshaltung bei all den Vorschusslorbeeren hoch – und tatsächlich: sitzen die grundlegenden Regeln, bastelt und optimiert man fröhlich vor sich hin.
Auf dem Tisch hat Arche Nova ungeheure Präsenz, das ist allerdings vorrangig dem Material und Spielaufbau geschuldet, nicht unbedingt der Umsetzung des Themas: Tiere, Artenschutz, Zoo – das schreit förmlich nach bunt, hübsch und detailverliebt.
Das grandiose Cover der Schachtel passt dann so gar nicht zu dem Gebotenen. Der Spielplan ist groß, aber allenfalls zweckmäßig; die Legeplättchen sind immerhin bildintensiver gestaltet, allerdings keine echten Highlights. Ein Lichtblick sind die Karten: von ihnen gibt es zum Glück viele, denn die Optik stimmt, auch wenn man heutzutage keinen Design-Preis mit aufpolierten Stock-Fotos gewinnt, selbst dann nicht, wenn die Masse an beiliegenden Karten sich mit dem enormen Arbeits- und Kostenaufwand entschuldigen ließe.
Arche Nova scheint einen Mittelweg gehen zu wollen – ganz so schäbig wie die Optik eines Terraforming Mars ist Feuerlands neues Experten-Brettspiel glücklicherweise nicht. Richtig charmant ist Arche Nova auf dem Tisch dennoch nicht. Möglicherweise immerhin aus gutem Grund: die verzahnten Mechaniken verlangen den Spielern Übersicht ab. Das gelingt mit einer nüchternen Optik meist besser als mit einem bonbonfarbenen Bilderfeuerwerk.
Zäher Einstieg und dürftige Optik? Wie kann ein Brettspiel mit diesen Attributen überhaupt so einen Hype um sich aufbauen? Die simple Antwort: Es muss spielerisch überzeugen.
Es gilt, sich auf den Punkteleisten bei Attraktion, Ruf und Artenschutz zu engagieren. Spieler bauen dabei jeweils ihren eigenen Zoo auf, halten dabei allerdings auch die Handkarten im Blick, von denen es Wissenschaftsprojekte, Sponsoren und Tiere gibt. Je nach Kategorie wirken die Karten sich mit unterschiedlichen Effekten aus. Tiere gewähren Siegpunkte und Sondereffekte, Sponsoren sorgen für dauerhafte Boni. Die wissenschaftlichen Projekte bringen Punkte auf der Artenschutzleiste ein. Das klingt simpel und ist es grundsätzlich auch. Weil das Aktionssystem um Karten und Stärkeränge allerdings Details aufweist, die Rangreihenfolge sich nach einem Zug aber verändert, entspinnt sich dadurch ein schöner Spielfluss, der zum Grübeln animiert. Die jeweiligen Züge sind dabei prinzipiell schnell abgehandelt: Viel tut man als aktiver Spieler nämlich nicht. Statt um Masse geht es um Klasse bei den Aktionen.
Wähle, aber wähle weise
Ist ein Spieler an der Reihe, wählt er seine Aktion aus den fünf vor ihm liegenden Aktionskarten mit der jeweiligen Stärke aus. Schon dabei gilt es vorauszuplanen, weil die Kartenreihe weiter rutscht. So einfach die Aktionsphase auch sein mag, sie ist der eigentliche Start des Brettspiels Arche Nova: Weil alles irgendwie und auf mehreren Ebenen miteinander verbunden ist, muss man mächtig Hirnschmalz investieren, um das Optimum aus seiner Aktion herauszuholen.
Tiere zu beheimaten, unterliegt Voraussetzungen, die wiederum sind manchmal nicht sofort, sondern erst im Laufe der nächsten Züge erfüllbar. Weil das absehbar ist, muss man planen. Arche Nova ist ein Brocken und nicht für Gelegenheitsspieler geeignet, selbst Kenner werden mitunter vor Herausforderungen gestellt. Ein Zoo-Brettspiel, das nicht zugleich Familienspiel ist? Das ist zumindest selten in der Szene, was Arche Nova trotz thematischer Schwächen zu einer Besonderheit macht.
Das Brettspiel vermischt zudem Elemente, die man aus anderen Titeln kennen könnte: Die Aktionsauswahl aus dem simplifizierten Civilization-Brettspiel von Fantasy Flight Games beziehungsweise Asmodee Deutschland, die Karten-Handhabung hingegen von Frixelius‘ Terraforming Mars. Vor allem zu letzterem werden Ähnlichkeiten auf strategischer Ebene sichtbar, Arche Nova erweist sich am Ende allerdings als besseres der beiden Brettspiele. Legespiel-Fans werden durch den kleinen Puzzle-Part auf dem eigenen Zoo-Spielbrett befriedigt, insbesondere aufgrund des asymmetrischen Aufbaus der Tableaus. Die Unterschieden liegen zwar nur auf Detailebene, wirken sich aber spürbar aus. In späteren Partien mit anderen Zoos zu starten, führt daher notwendigerweise zu Taktikanpassungen. Den Wiederspielwert erhöht das jedenfalls enorm.
Mit Wucht trifft Arche Nova jene Spieler, die bereits mehrere Einstiegpartien absolviert haben. Dann löst die gelungene Symbolik das erlesene Regelwissen ab, Spielfluss kommt auf, jeder taktiert. Letzteres für sich. Besonders interaktiv ist Arche Nova nämlich nicht. Das muss man mögen. Auch die eher aufgesetzten Karteninteraktionen sind eine Ebene, die das Brettspiel nicht zwingend gebraucht hätte. Am Ende ist es allerdings durchaus befriedigend, sich eine funktionierende Engine aus Karten-Kombos zusammenzubauen.
Infobox
Spielerzahl: 1 bis 4
Alter: ab 14 Jahren
Spielzeit: 110 bis 180 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Genre: Strategisches Brettspiel
Untergenre: Euro-Brettspiel
Kernmechanismen: Karten-Management, Legespiel, Engine
Autoren: Mathias Wigge
Illustrationen: Dennis Lohausen, Loïc Billiau, Steffen Bieker
Verlag: Feuerland Spiele
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2021
Sprache: deutsch
Kosten: 65 Euro
Fazit
Arche Nova lässt Spieler zu Beginn manchmal ratlos zurück, Strategien wollen sich nicht erschließen, der Ablauf stockt – und dann, nach einigen Runden oder besser einigen Partien, stellt sich der grenzenlose Spielspaß ein. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn dieses komplexe Brettspiel ist darauf ausgelegt, vielfach auf dem Tisch zu landen. In der inzwischen mit Releases vollgepackten, schnelllebigen Brettspielszene liegt schon darin eine Herausforderung. Glücklicherweise spielt sich Arche Nova auch zu zweit hervorragend, besser ist es zu dritt. Zu viert artet das Brettspiel um Artenschutz zeitlich vor allem dann aus, wenn ausgiebig gegrübelt wird. Die Downtime nervt dann mitunter, weil die Spielzeit ins Uferlose abdriftet.
Wer niemanden hat, er sich für Arche Nova interessiert, – sei es aufgrund des Themas, den Konzepts oder des Genres – der kann den Feuerland-Titel als sehr gutes Solo-Spiel auch alleine angehen. Ein Manko ist das jedenfalls nicht, im Gegenteil. Moderne Brettspiele gewinnen durch Solo-Parts an Attraktivität. Daran mag so mancher Kritiker sich im Zuge der Definition eines Gesellschaftsspiels stören, zu einem Gesellschaftsspiel gehört heute allerdings auch der Austausch innerhalb einer Community als gesellschaftliche Gruppe – man wird Teil von etwas, obwohl man es alleine spielt.
Zweifellos gehört Arche Nova zu den besten Brettspielen des aktuellen Jahrgangs. Der Mix aus Civilization, Terraforming Mars und Rajas of the Ganges kommt an, fühlt sich spielerisch rund an, erreicht aber nicht die Brillanz von Spielen à la Gaia Projekt. Die Stärke von Arche Nova liegt in der Verzahnung der Mechaniken und in der Verschiedenheit der einzelnen Partien: jede verläuft anders, einzigartig – spielerisch und damit taktisch. Obwohl das Zoo-Brettspiel bereits bekannte Mechanismen lediglich zu einem Gesamtwerk neu arrangiert, fühlt es sich neuartig an. Lediglich fünf Karten steuern quasi die komplexen Züge – dieser Kontrast aus wenig Optionen und viel Effekt, ist grandios. Mit jedem Spielzug wird Arche Nova tiefgründiger – und manchmal sogar in Ansätzen interaktiv. Beispielsweise wenn man einem Gegner eine Karte aus der Auslage wegschnappt. Ansonsten nimmt man meist wenig Notiz von dem, was die anderen Zoo-Manager so treiben.
Stören könnte man sich an dem ausufernden Material-Wust in Kombination mit den insgesamt wenigen Aktionsmöglichkeiten: (zu) viele Karten treffen auf (zu) wenige Handlungsoptionen. Gepaart mit dem spürbaren Glücksfaktor leidet die strategische Komponente bisweilen. Bei Terraforming Mars ist das nicht anders, hier hatten unzählige Erweiterungen nachjustiert und ein sehr gutes Brettspiel perfektioniert – auch wenn die Vielzahl der Addons das Spiel verwässert. Für Arche Nova gibt es daher berechtigte Hoffnung auf Erweiterungen, um die Grundelemente nachzuarbeiten.
Arche Nova ist ein Highlight der zurückliegenden SPIEL’21 in Essen. Es ist insgesamt nicht perfekt, aber zumindest auf mechanischer Ebene nah dran. Kritik gibt es dennoch: die Präsenz ist wuchtig, aber bieder; der ständige Abgleich von Symbolen ist eine Notwendigkeit, die längst nicht jedem gefällt; und die Spielzeit ist grenzwertig für die am Ende belanglose Ergebnisermittlung. Arche Nova lebt durch den Spielablauf, nicht durch das Gewinnen oder Verlieren. Es zehrt von seinen teils brillanten Verbindungen und der Erfordernis des stetigen Vorausplanens. Dass Interaktion zwischen den Spielern nahezu obsolet ist, kann man als Manko werten, den persönlichen Spielspaß trübt das aber nicht. Ob man im Verlauf des Spiels überhaupt auf die gegnerischen Tableaus schaut? Allenfalls aus Neugierde – nicht, weil es unbedingt nötig wäre. Ist das schade? Ja und nein, immerhin prädestiniert es Arche Nova so zugleich als grandioses Solo-Brettspiel.
Preview | Product | Rating | Price | |
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Feuerland Spiele 31012 Arche Nova, Ab 14 Jahren, Large * | 44,71 EUR |
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