Kaum ein anderes Thema kommt in Brettspielen so häufig vor wie der Weltraum. Auch Mindclash Games‘ hochkomplexe Neuheit Voidfall, die auf Deutsch bei Skellig Games erhältlich ist, spielt dort. Wie so oft, versucht man hier, im relevanten Teil des Weltraums die Vorherrschaft zu erlangen. In den Werbetexten zum Spiel ist immer davon zu lesen, dass es das 4X-Genre für Eurogamer interessant macht. Ob wirklich das Gute aus beiden Welten drinsteckt und wie sich Voidfall generell schlagen kann, erfahrt ihr in dieser Rezension.
4X beschreibt ein Genre, in dem die Spielenden gemäß der englischen Bedeutung entdecken (eXplore), expandieren (eXpand), ausbeuten (eXploit) und vernichten (eXterminate). In Voidfall greifen das erste und das letzte „X“ nur bedingt, da die Karte von Anfang an vollständig sichtbar ist und andere Spielende nicht besiegt werden können. Im Endeffekt ist die Einordnung so gut wie aller modernen Brettspiele in eine klare Kategorie schwierig bis unmöglich, sodass wir es (wie so oft) mit einer spannenden Mischung zu tun haben. Hier treffen eben 4X-Elemente auf wirtschaftliche Eurogame-Elemente.
Storymäßig wird hier dick aufgetragen. Im Kompendium, das eines von gleich drei Anleitungsbestandteilen im Spiel ist, wird auf den ersten neun Seiten die Welt beschrieben. Den Ereignissen im Spiel war eine lange Herrschaft des Hauses Novachron über das Domineum vorangegangen. Das Domineum ist das galaktische Imperium der Menschheit.
Viel ihres Wissens verdanken die Novarchen dem Einfluss der Leere. Die Leere verfolgt allerdings eigene Pläne. Sie „züchtet“ das Domineum zu einer Größe heran, die ihren endlosen Hunger stillen soll.
Von falscher Erlösung träumend, wollen die Novarchen die Leere willkommen heißen, doch diese bringt nichts als Verderbnis in die Welt und übernimmt die Kontrolle über die inneren Welten.
Als Anführer eines der insgesamt vierzehn enthaltenen Großen Häuser greifen die Spielenden nun nach der Herrschaft über Domineum und versuchen das Chaos, das die Leere verbreitet, zurück zu drängen.
Viele Möglichkeiten
Alleine die drei Hefte in der Box (Anleitung, Kompendium und Glossar) umfassen zusammen mehr als 170 Seiten. Vor der ersten Partie muss man zum Glück nicht alles lesen. Allerdings benötigt alleine die Beschreibung des Aufbaus mehr als zehn Seiten. Alle weiteren Seiten im Kompendium zeigen den speziellen Aufbau der einzelnen Szenarien. Das Glossar enthält detaillierte Beschreibungen und Erklärungen aller Effekte und Karten. Neben der Anleitung selbst wird vor allem das Glossar gerade in den ersten Partien häufig konsultiert werden.
Der grundlegende Spielablauf ist recht übersichtlich. Die hohe Komplexität ergibt sich vor allem aus der riesigen Menge an Möglichkeiten und der Knappheit von Ressourcen, Flotten etc.
Eine Partie setzt sich aus drei Zyklen zusammen, die ihrerseits aus drei Phasen bestehen. Phase A ist für die Vorbereitung der jeweiligen Runde da. Nur an einer Stelle werden die Spielenden wirklich aktiv.
In jeder Runde gibt es ein galaktisches Event. Am Beginn der Runde wird die eine Hälfte des Events abgehandelt. Durch sie werden die verschiedensten Aktionen und Effekte ausgelöst. Diese können auch Auswirkungen auf die Aktionsphase haben.
In Phase B führen die Spielenden ihre Aktionen. Dafür spielen sie eine ihrer neun Fokuskarten aus und aktivieren zwei der drei Effekte, die darauf aufgedruckt sind. Mit einem Handelsplättchen kann auch die dritte Aktion ausgeführt werden. Auch eine Agendakarte kann zusätzlich ausgespielt werden, um ihre Aktion zu nutzen. So sind zwischen zwei und vier Aktionen möglich.
Die einzelnen Aktionen werden hierbei thematisch passend vom Namen der Fokuskarte zusammengefasst. So erlaubt der Produktions-Fokus etwa das Voranschreiten auf der sogenannten Gesellschaftsleist auf dem eigenen Tableau (Gedeihen), das Produzieren von Nahrung, Energie und Material in Verbindung mit Siegpunkten für entsprechende Produktionsgebäude (Bevorraten) oder das Entfernen einer Verderbnis beziehungsweise das Bewegen von eigenen Flotten (Fördern).
Wie viele Fokuskarten ausgespielt werden dürfen, wird vom galaktischen Ereignis des aktuellen Zyklus bestimmt. Die Zahl bewegt sich zwischen vier und sechs.
Haben alle ihre Aktionen abgeschlossen, folgt die dritte Phase. Hier dringt die Leere in die Gebiete der Spielenden vor und versucht dort, Einfluss zu gewinnen. Kämpfe, egal ob gegen Mitspielende oder die Leere, sind komplett durchplanbar. Es gibt keinerlei Zufallselement.
Anschließend müssen die Spielenden für Strukturen (Gilden oder Stützpunkte) und an ihr Haustableau angelegte Agenden Wartungskosten bezahlen. Fehlt die entsprechende Menge an Nahrung oder Kombination aus Energie und Material, verliert man je drei Siegpunkte.
Zum Abschluss einer Runde gibt es nun noch Punkte. Zum einen zeigt das galaktische Ereignis Bedingungen, für deren Erfüllung es Punkte gibt, aber auch die ans eigene Haustableau angelegten Agenden bieten lukrative Möglichkeiten, Siegpunkte zu sammeln.
Wer nach drei Zyklen die meisten Siegpunkte sammeln konnte, gewinnt.
Klare Kämpfe
Anders als in vielen anderen Spielen, gibt es in den Kämpfen keine Zufallselement. Wenn ein Kampf beginnt, ist bereits klar, wer gewinnen wird. Zuerst wird in jedem Kampf die „Annäherung“ abgehandelt. Verteidigungsanalgen und bestimmte Flottentypen fügen bereits hier ersten Schaden zu.
Anschließend folgen im Loop so viele Salven, bis eine Konfliktpartei besiegt wurde. Wer die höhere Initiative (vor allem die Anzahl der Flotten, aber auch weitere Effekte beeinflussen diese) im Kampfgebiet hat, fügt die erste Salve (genau ein Schaden) zu. Hat die andere Partei noch mindestens eine Flotte über, schlägt sie mit einem Schaden zurück. Vor der nächsten Salve wird wieder kontrolliert, wer die höhere Initiative hat. Durch Effekte die einzelne Salven verstärken oder Schaden absorbieren kann sich die Reihenfolge verändern.
Wer sich in einem Kampf verteidigt, erhält keine Belohnung. War man in der Offensive, so erhält man neben dem neue eroberten Gebiet Siegpunkte in Höhe der Summe der eigenen Ruhmesplättchen.
Die Leere
Der Einfluss der Leere findet sich in unterschiedlichen Formen auf dem Spielfeld. Die beiden wichtigsten Formen sind die Verderbnis und die Flotten der Leere. Zusätzlich gibt es noch Vorboten, die vor allem im solo und kooperativen Modus relevant sind und die Leerenstürme, die eigentlich aneinandergrenzende Sektoren voneinander trennen.
Die Flotten der Leere verhalten sich wie die Standardflotten der Spielenden und haben die gleichen Angriffs- und Initiativewerte.
Die Verderbnis sind kleine „Nester“. Sie können diverse Spielelemente blockieren. Liegen sie in Sektoren unter den Bevölkerungswürfeln, können diese nicht verändert werden. Die Zahl der Bevölkerung wirkt sich auf die Produktion der Gildengebäude aus.
Auch auf dem eigenen Tableau (Zivilisationsleisten, Agenden) oder dem Agendatableau kann Verderbnis platziert werden. Generell gilt, dass ein Element, das Verderbnis enthält keine Boni einbringt und auch keine Siegpunkte generiert. Manche Siegpunktbedingungen von Agendakarten und Galaktischen Ereignisse beziehen sich allerdings auf Verderbnis.
Solo und kooperativ
Bietet der kompetitive Modus eigentlich für sich schon genug Variation für zahllose Spielstunden, so bekommt man bei Voidfall ein ebenso umfangreiches Paket, wenn man alleine oder gemeinsam spielen möchte.
„Zum Glück“ gibt es keinen Bot, den man zu den normalen Regeln, die man als menschlicher Spieler beachten muss, noch abhandeln muss. Für ein Spiel, bei dem Dávid Turczi mitgewirkt hat, sind die Änderungen für den Solomodus, der praktisch deckungsgleich mit der kooperativen Variante ist, sehr übersichtlich.
Die Neuerungen im Vergleich zum kompetitiven Spiel beschränken sich größtenteils auf das Vorhandensein des Krisentableaus. Je nach gewählter Schwierigkeit und Zyklus wird am Anfang eines Zyklus das sogenannte Alarmdeck zusammengestellt. Am Anfang jeder Runde des Zyklus wird die oberste Alarmkarte gezogen. Sie gibt vor, von welchem Krisenstapel eine Karte gezogen wird.
Krisen geben immer eine Bedingung vor, die man erfüllen muss, um sie zu überwinden. Das kann zum Beispiel einfach das Bezahlen zusätzlicher Kosten für eine Aktion sein, oder sich auf die Anzahl ausgesendeter Flotten beziehen. Wie bei allen Elementen im Spiel sind auch hier die möglichen Ausprägungen vielfältig.
Als weitere Aufgabe gilt es, die Zuflüchte mit Flotten zu füllen. Erfüllt man eine der drei Bedingungen, darf man eine inaktive Flotte dort platzieren. Ist eine Zuflucht vollständig, dürfen alle einen Bonus auswählen.
Am Rundenende muss man neben einem Gefecht gegen die Leere je nach Platzierung der andauernden Krisen (Krisen, die nicht in der Runde, in der sie gezogen wurden, gelöst wurden) eventuell auch noch Ressourcen bezahlen.
Am Ende der Partie punktet die Leere nach ihren eigenen Regeln. Im Spielverlauf versuchen die Spielenden, diese Siegpunktquellen der Leere möglichst zu minimieren. Haben alle mindestens so viele Punkte gesammelt, wie die Leere, gewinnt man gemeinsam das Spiel.
Infos zu Voidfall
Personenzahl: 1-4 Personen Alter: ab 15 Jahren Spielzeit: 50 Minuten pro Person Schwierigkeit: Expertenspiel Langzeitmotivation: sehr gut Klassifikation: 4X, Eurogame Spielidee: Nigel Buckle, Dávid Turczi Illustrationen: Ian O´Toole Verlag: Mindclash Games; dt. Ausgabe: Skellig Games, Quality Beast Offizielle Website: Link Erscheinungsjahr: 2023 Sprache: deutsch Kosten: 130 Euro |
Fazit
Am Anfang ist Voidfall vor allem eins: überwältigend. Alleine die Zeit, die man investieren muss, um alles auszupöppeln, zusammenzustecken, aufzubauen und dann die Regeln zu lesen, um das Tutorial zu spielen, lässt sich mit kaum einem anderen Spiel vergleichen. Selbst nach dem Tutorial gibt es noch Aspekte, die man lernen kann. Wirklich drin im Spiel ist man dann erst nach zwei bis drei „vollen“ Partien. Voidfall ist auch kein Spiel, das man nur gelegentlich mal aus dem Schrank holt. Sowohl zeitlich als auch finanziell ist dieses Spiel wirklich ein Investment, das einem ein wunderschön komplexes Eurospielgefühl bringt.
Die Eurogame-Elemente sind nämlich vor allem das, was in einer Partie präsent ist. Es gibt so viel durchzurechnen und zu optimieren, dass es (wenn man es mag) eine riesige Freude ist. Auch was die Punktequellen angeht, findet man sich hier bis zum Hals in einem Euro-Punktesalat wieder. Anfängliche Punktezahlen von etwa 150 Punkten verdoppeln sich nach einer Handvoll Partien und man bewegt sich bei 300 und mehr Punkten am Spielende.
Etwas überraschend war es im Test, wie solitär das Spiel doch ist. Wirklich reizvoll war es eigentlich nie, sich in die Sektoren der Mitspielenden zu bewegen und dort zu kämpfen. Möglich war das in den von uns gewählten Szenarien (eines mit einer „Aggressionsstufe“ von 3 von 4) auch frühestens im dritten Zyklus. Es erschien immer reizvoller, sich um den Ausbau der bereits unter eigener Kontrolle befindlichen Sektoren zu kümmern. Je nach Mentalität der Mitspielenden und dem gewählten Szenario kann hier sicher aber auch eine spannende Dynamik entstehen. In unserem Test sind wir bei Weitem nicht zu allen Szenarien in allen Besetzungen gekommen.
Praktisch unbegrenzte Wiederspielbarkeit
Alleine die Anzahl der unterschiedlichen Szenarien für sich genommen verspricht schon eine riesiges Maß an Wiederspielbarkeit. Nimmt man hierzu dann noch die möglichen Kombinationen der insgesamt vierzehn enthaltenen Häuser, ist man auf jeden Fall sehr lange beschäftigt, selbst wenn man nur alle empfohlenen Setups spielen will.
Auch wenn immer der gleiche Spielablauf zu Grunde liegt, spielt es sich gerade mit dem komplexeren Häusern immer anders und die Stärken und Schwächen werden immer klarer. Hierbei macht es auch keinen Unterschied, ob man das Spiel im solo/koop-Modus spielt oder kompetitiv. Was die Langzeitmotivation angeht, spielt Voidfall in der obersten Liga.
Nicht nur die „Software“ garantiert langfristigen Spielspaß, sondern auch die „Hardware“ in Form des Spielmaterials ist so hochwertig, das man sich hier keinerlei Sorgen machen muss, dass es sich in irgendeiner Form schnell abnutzt. Da auch das Material in Summe einfach viel ist, sollte man mit entsprechend viel Platz auf dem Tisch planen.
Wie so oft bei den Spielen von Mindclash, stört mich hier aber auch wieder die übermäßige Nutzung von Symbolen anstelle von Text. Gerade die Fokuskarten sind sehr groß und nicht mal auf der Hälfte der Fläche mit den Effekten bedruckt, dass hilfreicher Text hier mehr als genug Platz gehabt hätte. Auf die recht belanglosen Illustrationen hätte hier im Sinne des Spielflusses verzichtet werden sollen. Generell ist das Spiel optisch nicht wirklich berauschend, was aber auch ein häufiges Problem für mich bei Weltraumthemen ist. Alles bleibt im Endeffekt sehr abstrakt und es gibt keine wirklich fantasievollen Elemente, die helfen, die Welt wirklich mit Leben zu füllen.
Auch die Story des Spiels bleibt trotz der vielen Seiten an Hintergrundinfos sehr blass. Gerade die Leere als großer Gegenspieler ist zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, ein Bedrohungsgefühl hervorzurufen, das der Geschichte entspricht. Am Ende eines Zyklus gibt es kaum Situationen, in denen sie wirklich schlagkräftig angreifen kann, geschweige denn einen Sektor übernehmen könnte. Selbst im Solomodus, wo es eigentlich im Alleingang gegen die Leere gehen sollte, sind die Krisen das Element, was wirklich relevant ist.
Jeder Spielmodus ist für sich hervorragend
Voidfall ist jedem zu empfehlen, der auf Expertenspiele steht. Im Vergleich zu „normalen“ Expertenspielen ist Voidfall aber fast noch eine Stufe höher anzusiedeln, was sich vor allem auf die anfangs kaum zu erfassende Menge an Möglichkeiten zurückführen lässt. Um hier einen ersten Ansatz zu haben, sollte man sich wirklich die Zeit nehmen, das sehr gelungene Tutorialszenario zu spielen. Da man erst nach einigen Partien wirklich drin ist, sollte man für den kompetitiven Modus wirklich ein mehr oder weniger gleiches Erfahrungslevel haben. Abgesehen von diesem Punkt, der so eigentlich auch für den kooperativen Modus gilt, gibt es an keinem Spielmodus negative Punkte.
Durch den riesigen Entscheidungsspielraum sind die Wartezeiten zwischen den eigenen Zügen gelegentlich etwas länger. Haben alle ihre Strategie mehr oder weniger gefunden, läuft das Spiel überraschend flüssig ab, da die einzelnen Effekte der Fokus- und Agendakarten schnell ausgeführt werden können.
Am besten gefiel mir das Spiel allerdings im Solomodus. Hier ist es dank der Krisen ein noch komplexeres Puzzle, welches alles andere als einfach zu lösen ist. Die einfache Schwierigkeit ist dabei noch gut gewinnen, doch schon auf der normalen Schwierigkeit wird es deutlich kniffliger. An die höchste Stufe habe ich mich im Test nicht herangetraut.
Skellig Games haben mit Mindclash Games die Garanten für herausragende Expertenspiele als Partner. Qualitativ bewegt man sich hier wie zu erwarten in allen Punkten auf allerhöchstem Niveau. Wer hochkomplexe Spiele gerne spielt und sich von dem hohen zeitlichen Aufwand nicht abschrecken lässt, findet hier vielleicht das „eine“ Spiel für die einsame Insel.
Vorschau | Produkt | Bewertung | Preis | |
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