Leaders – a combined Game zählt zu der Art von Strategie-Brettspielen für Erwachsene, die neugierig machen, lange bevor man als Spieler unmittelbar vor dem ersten Spielzug steht. Das liegt einerseits an dem innovativen Spielsystem, bei dem die Vorteile eines klassischen Boardgames mit den Annehmlichkeiten einer Tablett- bzw. Smartphone-App kombiniert werden und andererseits an der Selbstverständlichkeit, mit der Leaders sich die politischen Machtkämpfe der Neuzeit zu Eigen macht, um daraus ein Militär-strategisches Brettspiel zu basteln. Wie gut die hybride Spielmechanik funktioniert, ob der Brettspielpart überzeugend ist und welchen Mehrwert Euch die App-Unterstützung wirklich bietet, erfährt Ihr im nachfolgenden Testbericht zu Leaders – a combined Games von rudy Games.
Die tiefsinnige Einleitung: Weltpolitik in Spielerhänden
Bereits im Jahr 2014 sind wir auf der SPIEL’14 in Essen erstmals auf Leaders aufmerksam geworden und haben den innovativen Titel im Rahmen eines Artikels als Messe-Highlight hervorgehoben. Umso schöner, dass wir Leaders nun endlich selbst spielen konnten.
Im Brettspiel Leaders – a combined Game schlüpfen die Spieler in die Rollen der mächtigsten Männer der Welt bzw. in die Nationen, die sie verkörpern. Darunter populäre Präsidenten wie John Fitzgerald Kennedy, Charles de Gaulle oder der umstrittene Begründer der Volksrepublik China, Mao Zedong. Die Leichtigkeit, mit der selbst viel diskutierte politische Persönlichkeiten in diesem Brettspiel verarbeitet werden, überrascht zunächst. Immerhin hat uns die aktuelle weltpolitische Lage sensibel gegenüber streitbaren Machthabern werden lassen. Aus der realitätsnahen Thematik zieht Leaders einen großen Teil seines Reizes, insbesondere für Militärstrategen, denn die Verwaltung von Truppenbewegungen ist ein elementarer Bestandteil dieses Boardgames. Zugleich ist der Polit-Baukasten äußerst lehrreich, stellt er den Spieler doch historische Zusammenhänge zwischen berühmten Staatmännern und ihren regierten Nationen zur Verfügung – Geschichtsunterricht in sehr „light“ also.
Bereits die Grundidee überzeugt: Spieler beantworten sich im Verlauf des Spiels selbst Fragen danach, wie die Geschichte der USA verlaufen wäre, wenn JFK nicht bei dem Attentat in Dallas im Jahr 1963 ums Leben gekommen wäre oder welchen Schnelligkeit Stellenwert die Volksrepublik China in der heutigen Weltpolitik hätte, wenn Mao Zedong weniger diktatorischen Entscheidungen getroffen hätte. Das erschreckend realistische Szenario reizt und animiert dazu, bei weiteren Partien des Brettspiels Leaders – a combined Games in die Rollen der anderen verfügbaren Machthaber zu schlüpfen. Für Langzeitmotivation ist also in jedem Fall gesorgt. Und nun kann die ausführliche Rezension beginnen.
Spielvorbereitung
Zunächst gilt es, die für Leaders – a combined Game elementare Leaders-App herunterzuladen und zu installieren. Die App ist natürlich kostenlos und kann über die offizielle Webseite des Brettspiels bezogen werden. Anschließend muss zum Spielen noch ein kostenloser combined Games Account registriert werden und dann heißt es auch schon: Helme aufsetzen und hinein in die Panzer – Marsch, Marsch! Die Spielvorbereitungen sind schnell erledigt. Nach dem ersten Öffnen der Verpackung folgt Ihr den üblichen Schritten: Soldaten aus den Tüten nehmen, das große Spielbrett entfalten, Hauptquartier-Tafeln an die Spieler verteilen, Karten bereitlegen und nicht zu vergessen, die Leaders-App starten. Zunächst möchte die App gern von Euch wissen, wie viele Mitspieler an der Partie teilnehmen. Die Antwort gebt Ihr, indem Ihr auf die entsprechende Zahl auf dem Bildschirm des Tablets drückt. Der Clou: Die Applikation übernimmt die Verteilung der Ressourcen wie beispielsweise Einheitenkosten oder Forschungsboni. Purer Luxus, wenn man bedenkt wie viel Zeit dieser Schritt in vergleichbaren Strategiespielen kostet. Es macht sich sofort bemerkbar, dass die Spieleautoren sich bei der Einbindung der App Gedanken gemacht haben.
Nach der Festlegung der Spielerzahl wählt man gemeinsam eines der verfügbaren Spielszenarios aus. Obwohl die Grundregeln stets gleich bleiben, finden sich zwischen den einzelnen Szenarien kleine Unterschiede. In der Szenario-Beschreibung der Leaders-App ist sofort ersichtlich, um welche Einschränkungen es sich handeln kann. So sind nicht immer alle Nationen frei wählbar, sondern es erfolgt teilweise eine Einteilung in Machtblöcke (kommunistisch, neutral, kapitalistisch) oder die Nationen sind von vornherein festgelegt. Ähnliches gilt für die Wahl der Startgebiete. Spannend wird es dagegen bei der Festlegung der Siegbedingungen, denn Spieler können nicht nur durch eine militärische Übermacht gewinnen, sondern in anderen Szenarien auch durch die Höhe des Forschungslevels oder durch das Erfüllen von Missionen. Klasse, denn das sorgt für eine Menge Abwechslung und führt zu einem enorm hohen Wiederspielwert. Ist das Szenario gewählt, füllen die Spieler nacheinander die Spielerinformationen in der App aus, wählen eine Figurenfarbe sowie gegebenenfalls eine Nation. Und auch hier offenbart sich wieder Langzeitmotivation, da jede Nation über eine Spezialfähigkeit verfügt. Durch einen Wechsel der gespielten Nation könnt Ihr also für immer neue Unterhaltungswerte sorgen.
Die Applikation zeigt Euch an, welche Startgebiete (im Rahmen des Szenarios) Ihr besetzen müsst bzw. könnt. Die Spielerkarten symbolisieren Eure Basislager, in denen sich zu Beginn die militärischen Einheiten aufhalten. Zahlenmäßig sind dies 30 Infanterieeinheiten sowie jeweils 10 Panzer und Kampfflugzeuge. Zugleich hilft die Spielerkarte Euch dabei, die Übersicht über Forschung, Abzeichen oder die Kampfwürfel-Zuordnung zu behalten. Eure Nationenkarte mit der erläuterten Spezialfähigkeit liegt mittig in Eurem Hauptquartier.
Das Spielmaterial
Das Spielmaterial hat uns auf den ersten Blick überzeugt. Was rudy Games hier vollbringt, ist für einen derart jungen Verlag einfach großartig. Die Materialqualität kann sich nicht nur problemlos mit der populärer Brettspiele aus namhaften Verlagen messen, sondern übertrifft dabei sogar so manchen Konkurrenten. Das Spielbrett besteht aus dickem Karton und macht einen langlebigen Eindruck. Das trifft ebenso auf die sechs Spielertafeln und die Tokens zu. Die militärischen Einheiten sind auffällig koloriert und machen einen ansehnlichen Eindruck, auch wenn sie natürlich nicht an der Figurenqualität und Detailverliebtheit von Table-Top-Einheiten heranreichen. Das muss aber auch nicht sein, schließlich spielen wir hier eine moderne Variante von Risiko und nicht das nächste Warhammer. Schön, dass rudy Games auch bei der Unterscheidung der Einheiten auf Modelle gesetzt hat. Die kleinen Flugzeuge und vor allem die Mini-Panzer sehen auf dem Spielbrett grandios aus.
Eine kleine Schwäche zeigt sich nur bei den Gewehren der Soldaten und den Kanonenrohren der Panzer, denn diese sind aus recht weichem Kunststoff. Dadurch brechen sie zwar nicht so schnell, verbiegen bei starker Berührung aber. Wer sorgsam mit der Figuren umgeht, muss sich wegen Beschädigungen aber keine Sorgen machen. Zudem scheint der Kundenservice von rudy Games so gut zu sein, dass Ersatzlieferungen problemlos angefragt werden können.
Der Spielablauf
Wer sich systematisch entlang der guten Kurzanleitung hangelt, wird einen schnellen Zugang zu Leaders – a combined Game bekommen. Die Regelerklärungen sind nachvollziehbar und die App erledigt den Rest, um der Spielerrunde die Grundregeln zu verdeutlichen. Mit Beginn einer Spielrunde geben die Spieler öffentlich die Summe der Produktionspunkte seiner Militärgebiete in die Leaders-App ein. Am besten übernimmt ein einzelner Spieler diese Aufgabe, da das Tablet sonst herumgereicht werden muss. Bevor die erste Aktion gestartet wird, können sogenannte globale Ereignisse eintreten. Diese finden ihre Entsprechung in einer Art Ereigniskarte, die von jedem Spieler befolgt werden muss. Sodann beginnen die Spieler reihum mit ihren individuellen Spielzügen. Jeder Spielzug besteht aus fünf Phasen: Einheiten abziehen, Nationale Ereignisse ausführen, Einheiten beordern, Kampfphase, Verwaltung des Hauptquartiers.
In der ersten Phase werden überzählige Militäreinheiten vom Spielbrett zurück in das Basislager geholt. Anschließend lösen die Nationalen Ereignisse aus, die beispielsweise aus der Zurverfügungstellung von Truppennachschub oder der Auswertung von Forschungsergebnisse bestehen. Jetzt der eigentlich Clou von Leaders – a combined Game: Diese ersten beiden Phasen sind öffentlich und für jeden Gegenspieler nachvollziehbar.
Mit Einleitung der dritten Phase beginnt allerdings die Geheimhaltung. In der geheimen Phase sieht nur der aktive Spieler, was bezüglich Forschung, Diplomatie oder gar Spionage geschieht. Das sorgt für enorm hohe Spannung. Phase 4 ist dann wieder allgemein sichtbar. Die Verwaltung des Hauptquartiers erfolgt allerdings im Verborgenen. Gegenspieler wissen also nicht über jeden Schritt Bescheid, sodass in den verdeckten Phasen ordentlich taktiert werden kann. Sensationell und vor allem tierisch aufregend. Hier zeigt sich, was die App bezüglich des Spielspaßes zu leiten vermag. Die App behält stets den Überblick über die Aktionen und gibt Aufschluss über die Spielerreihenfolge.
Die Kämpfe werden genretypisch unter Verwendung von Kampfwürfeln ausgefochten. Das erinnert an traditionelle Strategie-Brettspiele und bildet die perfekte Balance zur Leaders-App. Zu jeder Zeit bleibt einem das Gefühl, ein Brettspiel zu spielen und keine rein digitale Applikation. Für diesen konzeptionellen Kniff sei den Spieleautoren ausdrücklich gedankt. Zwei unterschiedliche Würfelfarbe repräsentieren dabei die Einheitentypen. Der weiße Würfel vertritt die Kampfstärke der Infanterie, die schwarzen dagegen die motorisierten Einheiten. Die Trefferwirkung lässt sich in drei Stufen von den Würfeln ablesen. Es gibt Fehlschüsse, Treffer und Wirkungstreffer (Doppeltreffer). Man verliert als Spieler also keine, eine oder zwei Einheiten im betroffenen Kampfgebiet. Gekämpft wird, bis die Truppen einer Seite ausgelöscht sind oder der Spieler zum Rückzug bläst, was immerhin noch die Hälfte der Kampftruppen vor dem Tod bewahren kann.
Hat ein Spieler seine fünfte Aktionsphase beendet, ist der nächste Spieler an der Reihe. Dies geht anschließen weiter, bis ein Spieler die zu Beginn festgelegte Siegbedingung erreichen konnte. Bis es soweit ist vergehen rund zwei spannende Spielstunden, in denen es zu keiner Zeit langweilig wird. Insbesondere die geheimen Aktionen sorgen für unvorhergesehene Ereignisse und machen die strategische Planung manchmal unberechenbar. Wir freuen uns jedenfalls auf weitere Partien Leaders – a combined Game. Und auf weitere Titel aus dem Hause rudy Games, wenn der junge Verlag dieses Qualitätsniveau halten kann.
Infobox
Spielerzahl: 2 bis 6 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 120 bis 180 Minuten
Schwierigkeit: mittel
Langzeitmotivation: hoch
Verlag: rudy Games ►
Autor: Reinhard Kern, Gertrude Kurzmann, Manfred Lamplmair
Erscheinungsjahr: 2015
Sprache: deutsch
Kosten: 60 Euro
Fazit
Betrachtet man das hybride Spielsystem, mag überraschen, dass die Stärke von Leaders – a combined Game in erster Linie der Brettspielteil ist. Das Grundprinzip erinnert an den zeitlosen Strategieklassiker Risiko, erweitert dessen Spielhandlungen jedoch um einen überzeugenden politischen Part, der insbesondere durch die Interaktion der Brettspieler als Tiefe gewinnt. Die App erfüllt bei Leaders gleich mehrere Aufgaben: Sie stellt jede Menge Hintergrund wissen zur Verfügung und zieht die Spieler damit noch tiefer in das Spielgeschehen. Dank gilt der App in besonderer Hinsicht: Je mehr Bereitschaft zu Rollenspieldenken die Spieler mitbringen, desto intensiver wird das Spielgefühl. Ein großer Vorteil gegenüber klassischen Strategie-Brettspielen wie etwas Risiko.
Wer als konservativer Brettspieler bisher über Titel mit App-Unterstützung geschimpft hat, der hat Militär-Brettspiele wie Leaders oder auch XCOM – The Boardgame einfach noch nicht ausprobiert. Ein Blick über den Tellerrand ist äußerst lohnenswert und beschwert Euch zukünftig unzählige Stunden Spielspaß.
Der einfache Einstieg und die seichte Lernkurve machen Leaders – a combined Game zudem zu einem idealen Titel für Strategieneulinge. Meine Empfehlung: Leaders unbedingt ausprobieren, um sich selbst von der Qualität dieses tollen Strategie-Brettspiels für Erwachsene zu überzeugen. Nach unseren bisherigen Testrunden wird die Tendenz zum Qualitätsspiel deutlich, nicht aufgrund der Komplexität, sondern der Einsteigerfreundlichkeit. Leaders – a combined Game ist einer dieser Titel, die ideal dazu geeignet sind, neue Brettspieler in das Hobby zu ziehen – oder Kenner für die eine oder andere Runde „Risiko deluxe“ zu motivieren.
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