Mit dem Jump’n’Run It Takes Two beweisen die Entwickler der Hazelight Studios erneut enormen Mut: Man zwingt zwei Spieler gemeinsam vor den Bildschirm – entweder online oder lokal. Am besten lokal. Dann nämlich kann dieser Plattformer seine Qualitäten richtig entfalten. Dass man Gamer zu kooperativem Zocken nötigen will, ist ein Kniff, der mal wieder ungewohnt ist. Mindestens ebenso ungewohnt ist dann allerdings, was man hinter der bunt-schrillen Aufmachung findet: Eine tiefgründige, vielschichtige, spielerisch abwechslungsreiche und emotional beladene Abenteuer-Hüpferei, die als Liebeserklärung an Couch-Koop verstanden werden muss.
Mit It Takes Two setzen die Hazelight Studios nach A Way Out (2018) erneut auf ein rein kooperativ spielbares Werk, das sich an genau zwei Spieler richtet. Federführend agiert auch diesmal wieder der Spielemacher und Regisseur Josef Fares – und er ließ es sich nicht nehmen, ein passendes Easter-Egg in It Takes Two unterzubringen.
Wie es sich für einen Hollywood-Filmemacher schickt, spielt die Story bei dem neuen Jump’n’Run eine zentrale, wenn auch nicht unbedingt übergeordnete Rolle. Was hinter It Takes Two steckt, erinnert ein wenig als die melancholischen Streifen aus den Endachtzigern – macht hier allerdings um ein Vielfaches mehr Spaß.
Ein Buch sie zu knechten – und zu binden
Eine Scheidung, eine traurige Tochter, viel Gefühl, der Wunsch, ihre Eltern hätten sich anders entschieden und ein Zauberbuch sind die Zutaten für die Hintergrundgeschichte von It Takes Two. Eine Art Voodoo und der Körpertausch sind führen dann dazu, dass man daraus ein Spiel machen konnte, bei dem genau zwei Spieler miteinander Zeit verbringen müssen.
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Statt aus einem Gefängnis ausbrechen zu müssen, so wie es A Way Out von den Spielern vor knapp drei Jahren verlangte, muss das Zocker-Duo nun Puppen-Eltern zurück in ihr Haus führen und dort die Seelen wieder mit den zugehörigen Körpern verbinden. Nun hätte man erahnen können, dass auch It Takes Two mindestens innovativ werden würde. Ob dahinter auch gleichzeitig eine gehobene Spielqualität steckt, war ungewiss – immerhin war auch A Way Out eine tolle Idee mit einer eher soliden Umsetzung.
Also hat man diesmal alles weggelassen, was nicht dem direkten Spielspaß förderlich ist. Übrig blieb das fast perfekte Grundgerüst für Spaß: Es wird gehüpft, gerollt, geflogen – immer wieder ändern sich die Spielmechaniken. Die Hazelight Studios bedienen sich munter bei allen möglichen Genres und bauen daraus einen Plattformer, bei dem Nebenaufgaben keine Rolle spielen. Gradlinig albern sich zwei Spieler online oder per Split-Screen-Modus durch knallbunte Welten. Was sie dabei stets verbindet, ist ein gemeinsames Ziel.
Eingebettet wird das Gameplay in ein Setting, das ständig zwischen lustig, bescheuert, verrückt, wundersam pendelt. Ohne Unterlass. Immer wieder werden Spieler mit teilweise merkwürdigen Situationen oder Charakteren konfrontiert. Freud hätte seine wahre Freude an dem Spiel – und vermutlich auch an den Gedankengängen der Entwickler, die hinter den Ideen dieses Titels stecken. Ganz so märchenhaft-bunt wie sich It Takes Two auf den ersten Blick präsentiert, sind zumindest die zwischen den Zeilen versteckten Story-Bestandteile nicht. Immer wieder trifft man auf Botschaften, manchmal trifft man allerdings auch auf Inhalte, die einen schier überfordern: Kopf kratzend fragt man sich, wie zur Hölle man als Entwickler ausgerechnet Roboter-Wespen erfinden oder Haushaltsgegenstände auf eine merkwürdige Art gruselig-abgedreht erscheinen lassen kann.
Immerhin: Es funktioniert. Mehr als einmal kommt man ins Gespräch mit dem bei anderen Titel oft schweigsamen Spielpartnern. Was It Takes Two also schafft, wie kaum ein anderes modernes Videospiel ist, Spieler in der physischen Welt zu verbinden – durch das, was sie in der virtuellen Welt gemeinsam erleben. Man muss Fares und seinem Team so etwas wie Genialität unterstellen, anders lässt sich nicht erklären, weshalb ausgerechnet das bei einem simplen Hüpfspiel funktioniert, woran Entwickler sich bei tiefgründigen Drama-Games jahrzehntelang die Zähne ausgebissen haben.
It Takes Two erzwingt Gespräche
Und damit es nicht nur beim Reden bleibt, muss man sich auch auf der spielerischen Ebene miteinander befassen. Man wartet auf seinen Partner, hilft ihm, berät sich, plant die nächsten Schritte. „Mehrspieler“-Modus heben die Hazelight Studios hier auf eine völlig neue Ebene: Bei so manchem MMORPG wird der große Zusammenhalt als Notwendigkeit gepredigt. Am Ende laufen alle alleine, aber immerhin im Pulk herum. Bei It Takes Two verspricht man nicht dergleichen, man nötigt die Spieler gemeinsam vor den Bildschirm – Koop kommt dann von ganz alleine.
Die Erfordernisse an das kooperative Spiel sind dabei nicht nur rudimentär: Stets geht es darum, auf das zu reagieren, was der andere tut – und umgekehrt. Ein Spieler eröffnet die Wege durch die Umgebung, der Partner folgt. Kaum zu glauben, aber wahr: Man kommt alleine nicht ans Ziel, da kann man sich noch so sehr anstrengen. Bei Nintendo wird man vermutlich neidisch Richtung Playstation, Xbox und PC sowie zu Electronic Arts und den Hazelight Studios blicken: Was It Takes Two hier präsentiert, ist das, wofür Nintendo seit Jahrzehnten steht: hemmungsloser, bunter Familienspaß.
Gestützt wird das durch all Inhalte aus der kindlichen Gedankenwelt: Spielwaren, Dinosaurier, eine Burg aus Pappe. Hinzu kommen die anderen Räume des Hauses, aus denen weitläufige Spielumgebungen werden, die durch das bevölkert werden, was man im Alltag in ihnen finden würde – mal realistisch, mal kindlich-übertrieben dargestellt. Auf der Xbox Series X – unserem Testsystem für It Takes Two – läuft das Geschehen flüssig in 60 FPS. Und auch das mag man kaum glauben: Auch im Split-Screen-Modus sieht das action-abenteuerliche Hüpfspiel grandios aus. Die andere Hälfte des Bildschirms fehlt nicht, man schaut ohnehin ständig rüber, zumindest wenn das Spiel einen lässt.
Ansonsten ist It Takes Two herrlich unaufgeregt. Der Titel nimmt Spieler an die Hand, auch wenn er letztendlich nicht vollends linear verläuft, weil Spielern immer wieder auch häppchenweise Freiheit eingeräumt wird. Es gibt Erkundung, wenn auch nicht auf einem Niveau wie etwa bei Super Mario Odyssey für Nintendo Switch. Statt Sammelkram und Glitzerkrempen – Director Josef Fares kann damit gar nichts anfangen – wird man belohnt durch grandiose Minispiele.
In jedem Kapitel warten neue Fähigkeiten auf Cody und May, Rosis Eltern in ihren alternativen Puppenkörpern. Immer wieder müssen Spieler mit neuen Werkzeugen hantieren, kombinieren und das Vorankommen besprechen. Die Lösungen für die Rätsel sind oft offensichtlich, manchmal knifflig, fast immer mit Geschicklichkeitsaufgaben verknüpft. Und das magische Buch der Liebe erläutert, wie Spieler ihre Fähigkeiten sinnvoll nutzen können, um einander wieder näher zu kommen. Über allem schwebt stets das Scheidungsthema – man kann schon zu Beginn erahnen, wie befriedigend es sein wird, das Spielende zu erreichen.
Mit einem einfachen Kniff machen Electronic Arts und die Hazelight Studios übrigens deutlich, wie wertvoll Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit sind: Spiel man It Takes Two per Online-Modus, so benötigt nur ein Spieler ein Exemplar des Titels. Trotz quietschbuntem Look ist It Takes Two übrigens nicht unbedingt ein Kinderspiel – die Altersempfehlung der USK deutet an, dass man im Verlauf auf den einen oder anderen nicht ganz kindgerechten Inhalt trifft, niemals brutal, aber manchmal kriegerisch. Brutal wird It Takes Two nur, wenn man es mit einem Partner spielt, der in einem Leben noch nie ein Gamepad in der Hand gehalten hat. Dann drängt sich das Scheidungsthema wieder deutlich in den Vordergrund.
Infobox
Spielerzahl: Multiplayer (2)
Alter: USK 12
Schwierigkeit: einfach bis mittel
Langzeitmotivation: niedrig
Genre: Jump’n’Run
Untergenre: action-adventure platformer
Publisher: Electronic Arts
Entwickler: Hazelight Studios
Offizielle Website: Link
Erscheinungsjahr: 2021
Plattformen: PC, Xbox One, Playstation 4, Playstation 5, Xbox Series X|S
Sprache: deutsch
Kosten: 39,99 Euro
Fazit
Besser kann man ein kooperatives Videospiel nicht gestalten. Dieses simple Fazit trifft den Nagel auf den Kopf, wie Spieler im Verlauf des Spiels den Nagel-Weg in die Wand (ihr werdet schon sehen). Was die Hazelight Studios auf den Bildschirm zaubern, ist eine Liebeserklärung an Couch-Koop. Wer alles aus It Takes Two herausholen möchte, sollte unbedingt via Split-Screen spielen. Online geht auch, aber die direkte Kommunikation ist fast schon das essentielle Erlebnis des Hüpfspiels, bei dem die Entwickler Spieler konsequent zur Kooperation verpflichten.
Das funktioniert, weil das Gameplay funktioniert – und weil die Technik es zulässt. Die Steuerung ist präzise, alle Aktionen lassen sich flüssig ausführen. Wichtig ist das vor allem in all den Momenten, in denen es um das richtige Timing geht. Es macht Freude durch die bunten, abwechslungsreichen Level zu wandern, immer wieder neue Ideen zu entdecken.
Die Entwickler beweisen mit ihrem Design eine Originalität, die man oft sucht, aber nur selten findet. Eingebettet wird all das in eine echte Geschichte, die zwar nicht unbedingt reif für einen Oscar ist, immerhin aber durch „fuck the oscars“ eine Brücke nach Hollywood schlägt (ihr werdet schon sehen).
Das die Hazelight Studios ausgerechnet mit ihrem Debüt im Plattformer-Genre ein derart perfektes Werk auf die Beine gestellt bekommen haben, nötigt Respekt ab. Man kann viele lobende Worte über It Takes Two verlieren, am Ende zählt nur: Man muss es selbst spielen. Man muss!
Übrigens: Wie kaum ein anderer Titel erhält It Takes Two den Ritterschlag durch seine Mini-Spiele – denn selbst diese sind grandios. Welches Spiel kann das von sich behaupten?
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