Horrorstör erschien 2015 bei Knaur HC und begeistert seit dem Anhänger von Horrorgeschichten, des grotesken und Ikea-Liebhaber gleichermaßen. Geschrieben wurde es von dem Autor und Journalisten Grady Hendrix. Dessen Arbeitsgeschichte selbst einer Parodie gleicht. So arbeitete er nicht nur bei der konservativen Boulevardzeitung The New York Post, sondern schrieb auch für den Playboy und die Variety. Seine skurrilste Zeit sollte er währenddessen vermutlich bei einer Telefonhotline einer parapsychologischen Forschungsorganisation verbracht haben. Horrorstör ist sein Debütroman.
Zwischen Parodie und Horror
Vermischt man eine literarische Parodie mit einem Horrorthriller, erwartet man weniger mitreißende Spannung, als man es von letzterem Genre gewohnt ist. Kommt dann auch noch ein Ikeaesk anmutendes Design hinzu, scheint sich die seichte Erwartung einer Komödie zu bestätigen. Doch ist es bei Horrorstör anders als erwartet. Schon nach wenigen gelesenen Seiten der Lektüre zeigt sich, dass Grady Hendrix den Leser zu fesseln weiß.
Wer ihn kennt, der weiß, zum schwedischen Möbelriesen gehören nicht nur Lobeshymnen. Zwischen Billy und Hemnes warten Geschichten um sektenähnliche Strukturen, Skandale um Zwangsarbeit, Faschismus und hochmotivierte Spitzel, die für die Einhaltung der Möbelmarkt-Grundwerte einstehen sollen. So auch bei Orsk.
„ORSK hilft dir dabei, du selbst zu sein – Auf die Orsk-Art.“
Horrorstör, Buchzitat
Hier werden Mitarbeiter unter Zwang geschult, unterdrückt, eine uniformierte Orsk-Familie geschaffen und Möbel können nur mit dem Orsk-Magic-Tool aufgebaut werden. Ein Schelm wer dabei böses denkt.
Albtraum im Schwedenhaus
Ein schon von Kindern häufig geträumter Traum ist derjenige, über den Besuch eines verlassenen Geschäfts nach Ladenschluss. Abenteuerlich und unheimlich zugleich mutet der Wandel durch die menschenleeren Gänge an. Den einen locken die gefüllte Süßigkeitenregale, den anderen die weichen Federbetten und für jedermann warten unzählige Möglichkeiten darauf Schindluder zu treiben. Doch wird all dies von einem kribbelnden Schauder umgeben, der erst leise pochend darauf hinweist, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, alleine in einem menschenleeren Gebäude herumzugeistern, um dann immer lauter zu werden, bis der träumende ängstlich erwacht, weil er eigentlich doch lieber tagsüber die Ladengänge erkunden würde. Man bedenke nur, was würde geschehen, wenn etwas Unerklärliches oder gar Böses im nächsten Gang auf ihn wartet. Letzteres greift Hendrix in seiner Horrorgeschichte gekonnt auf.
„Die harte Arbeit macht eine Familie aus Orsk, und alle leisten sie freiwillig.“ Doch das Wasser, das an der Wand herabrann, hatte einen Großteil der Buchstaben weg gewaschen. Jetzt stand dort nur noch: „Arbeit macht frei.“
Horrorstör, Zitat
Nicht nur, dass es ihr finanziell immer schlechter geht, es scheint so, als geschehen in der amerikanischen Orsk-Filiale paranormale Phänomene. Nachts wird das Interieur auf unerklärliche, widerliche Weise verdreckt und ein unerklärlicher Wasserschaden breitet sich zusehends aus. Dies geschieht neben vielen weiteren schaurigen Ungereimtheiten. So kommt tagsüber noch hinzu, dass elektronisch versorgte Gegenstände des Möbelmarktes ein Eingenleben zu führen scheinen. Nachdem von der Geschäftsführung vergeblich versucht wurde, einen Grund für die Vorgänge ausfindig zu machen, werden zwei Mitarbeiter dazu verdonnert, gemeinsam mit dem stets motivierten Filialleiter Basil, eine Patrouillen-Nachtschicht auf sich zu nehmen. Mittels derer dem unheimlichen Orsk-Geheimnis auf den Grund gegangen werden soll.
Bei den Auserwählten handelt es sich um die Protagonistin Amy, die als gescheiterte Studentin auf den Job bei Orsk angewiesen ist, und ihrer gehorsamen Kollegin Ruth Anne, welche, stets nach Vorschrift, ameisenähnlich, angepasst und arbeitsam ist. Die Nacht im Horrorstör birgt für die Teilnehmer Hürden und Gefahren. So drohen allesamt ihren Verstand zu verlieren. Wenngleich dies noch der glimpflicher Ausgang wäre. Es kündigen sich schnellen Schrittes Qualen und gar der Tod an. Nebenbei erfährt der Leser noch gruselige Details: Der Boden, auf dem die Orsk-Filiale erbaut wurde, birgt ein bedrückendes Geheimnis.
Roman im Schwedenkatalog
Die Aufmachung des Buches folgt einer klaren Linie. Ähnelt der Einband des fiktiven Horrorstörs auf überzeugende Weise dem real existierenden Ikea-Katalog, wird der Leser, während der Lektüre, von Grady Hendrix auf eine Reise durch das Möbelhaus ORSK entführt.
Ikeaesk warten währenddessen Gutscheine, ein Bestellbogen, ein Lageplan der Orsk-Filiale und einige andere Gimmicks auf den Leser. Als wäre das nicht der Anspielung genug, beginnt jedes Kapitel des Buches mit einer Seite, die exklusiv einem Orsk-Möbelstück mit wohlklingendem Namen wie „Kjërring“, „Hügga“oder „Brooka“ gewidmet wurde.
Bilder zu Horrorstör
Infobox
Broschiert: 276 Seiten
Verlag: Knaur HC
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 9783426517222
Autor: Grady Hendrix
Erscheinungsjahr: 2015
Sprache: deutsch
Kosten: 16,99 Euro
Fazit
Hendrix ist der Drahtseilakt zwischen Spannung und Humor ausgewogen gelungen. Die Geschichte um den Orsk-Giganten liest sich flüssig und wurde ohne störende Fehler aus dem Englischen übersetzt. Das Design und das Layout laden zum nachträglichen Verweilen und Entdecken ein, was in dieser Form auf dem Buchmarkt einer Besonderheit gleicht. Fantasy, Horror- und Ikea-Fans erhalten durch Horrorstör gleichermaßen spannende Unterhaltung im Buchformat, doch könnten hartgesottene Horrorliebhaber durch die recht ausschmückende Erzählweise von belanglos anmutenden Details abgeschreckt werden.
Die Horrorszenen haben für den Liebhaber von Gruselgeschichten ein großes Spannungspotential, können den Horrorfan jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überzeugen. Diejenigen Leser, die einen humorvollen und gesellschaftskritischen Gruselroman erwarten, werden durch Horrorstör auf eine fesselnde und gleichzeitig leichte Art unterhalten werden.